Das Intercom-Komplott
nicht viele Leute in unser Büro, aber der eine oder andere verirrte sich eben doch hierher: Büromaschinenvertreter, der Kassierer der Stadtwerke, seltsame Typen, die einen Job suchten, und irgendwelche Mauschelbrüder, die uns geheime Dokumente andrehen wollten, die in irgendeinem Berliner Hinterzimmer entstanden waren. Das Ungewöhnliche an diesem Besucher aber war, daß er gekommen war, um ein Bestellformular für Intercom auszufüllen.
Und das war wirklich überraschend. Solange ich hier arbeitete, war so etwas jedenfalls noch nie geschehen. Intercom wurde mit der Post verschickt, und mit der Post erreichten uns auch die Bestellformulare. Wir hatten eine vervielfältigte Preisliste mit den verschiedenen europäischen und amerikanischen Währungen, und jedem Brief, jedem Exemplar der Zeitschrift, die das Haus verließ, war eine Abonnementskarte beigefügt. Von Zeit zu Zeit veranstalteten wir eine Werbekampagne, für die wir dieselben Formulare benutzten, aber nicht einmal unsere Genfer Abonnenten – damals nicht mehr als einer oder zwei – waren persönlich in unser Büro gekommen, um die Bestellung abzugeben.
Als mir mein Gast sagte, was er wollte, dachte ich natürlich sofort daran, daß es jener Arnold Bloch sein müßte – oder doch jemand, der in seinem Auftrag handelte –, der unser bescheidenes Heim einer diskreten Inspektion unterziehen wollte. Natürlich war zu bedenken, daß er, wenn er es wirklich war, ziemlich spät daran gedacht hatte. Dr. Bruchner war schon längst im Besitz seines Schecks, und wenn sein schriftliches Angebot tatsächlich akzeptiert wurde, war der Handel perfekt. Auch wenn ihm nicht gefallen sollte, was er hier sah, war es zu spät, alles rückgängig zu machen.
Was mir am meisten zusagte, war, daß man mich offensichtlich mit Glacéhandschuhen behandeln wollte. Ich bat ihn also sehr höflich in mein Büro und ließ mir von Nicole ein Bestellformular bringen.
Mein Arbeitszimmer ist derart angefüllt mit Büchern, Notizheften und Zeitungsstapeln, daß man sich kaum noch bewegen kann. Aber ich habe einen Besuchersessel. Darauf hatte seinerzeit der General bestanden. Allerdings war er wie immer mit einem ganzen Berg Krimskrams beladen. Während ich ihn frei machte, wartete mein Besucher in der Tür, zog sich den Mantel aus und legte ihn so ordentlich zusammen, als wollte er ihn in einen Koffer packen.
Er war von mittlerer Größe; sein enorm kräftiger Rücken ließ ihn ein wenig dick erscheinen. Ich schätzte ihn auf Mitte Fünfzig. Sein Gesicht wirkte irgendwie schwer – nicht schwammig, an ihm war überhaupt nichts Weichliches –, grobknochig; ein ›Rocher de bronce‹, so könnte man ihn beschreiben. Die Augen hinter den horngerahmten Brillengläsern waren blau, das kurzgeschnittene, kräftige Haar grau; die Sommerbräune seiner Haut hatte sich kaum verflüchtigt, und auf dem breiten Mund mit den schmalen Lippen lag ein trauriges Lächeln. Dieses Lächeln, so merkte ich bald, verschwand nie, und das Bedauern, das es auszudrücken schien, war trügerisch.
Als er sich endlich setzen konnte, reichte ich ihm Bestellformular und Kugelschreiber. Einen Augenblick studierte er das Blatt, dann füllte er es aus; in Druckbuchstaben, wie es sich gehört.
Obwohl ich ihm gegenüber saß, konnte ich den Namen lesen: Werner Siepen. Die Anschrift: ein Hamburger Postfach. Die Spalten für Beruf und Geschäftsadresse ließ er unausgefüllt. Die Unterschrift war unleserlich.
Demnach hatte ich es also doch nicht mit Herrn Bloch zu tun, aber möglicherweise mit einem seiner westdeutschen Kunden. Es war ganz und gar nicht ungewöhnlich, daß jemand keine Angaben über seinen Beruf machen wollte. Die wenigsten unserer Abonnenten hielten es für nötig, diese Zeile auszufüllen; die häufigsten Ausnahmen waren Politiker, Kleriker und – aus mir rätselhaften Gründen – Zahnärzte. Trotzdem war es mir in diesem Falle aus verständlichen Gründen gar nicht recht. Ich versuchte also, ihm vorsichtig auf die Sprünge zu helfen.
»Das Jahresabonnement für Deutschland kostet achtzig Mark«, sagte ich. »Ich nehme an, Sie wollen mit einem Scheck bezahlen. Die meisten unserer Leser halten es so.«
Er zuckte die Achseln. »Bar wäre einfacher, nehme ich an. Und ich glaube« – dabei griff er nach seiner Brieftasche –, »Schweizer Franken sind Ihnen genauso willkommen.« Sein Französisch war recht flüssig.
»Wie Sie wollen. Ich lasse den Betrag umrechnen und stelle Ihnen dann eine Quittung
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