Das Intercom-Komplott
fleischigen Gesicht, einem leicht hängenden Schnauzbart und schweren Lidern. Seinen Teint hätte mein Vater wohl als »blaß wie ein Flundernbauch« beschrieben. Er trug einen dunklen Straßenanzug, dazu eine Charvet-Krawatte, so dunkelrot wie eine zerquetschte rote Rübe. Den Kopf leicht zur Seite geneigt, warf er mir ein Lächeln zu, das seine Zähne zeigte.
Als mein Vater sich mir zuwandte, sah ich, daß sein Gesicht weiß war vor unterdrücktem Zorn. Das tröstete mich etwas, denn nun wußte ich, daß er sie ganz gewiß nicht zum Bleiben auffordern würde. Andererseits war er aber auch sehr wohl fähig, sie so lange mit immer wieder neu eingeschenkten Gläsern zu traktieren, bis ihm eingefallen war, auf welche Weise er sie am wirkungsvollsten ärgern konnte.
Er machte fast ein Ritual daraus, uns einander vorzustellen.
»O Valerie, meine Liebe« – er hauchte mir einen Kuß auf die Wange, was er nie tut, wenn wir allein sind –, »darf ich dich mit Mr. Goodman bekannt machen? Und sein Kumpan dort« – bei diesen Worten deutete er mit seinem Glas auf den größeren der beiden, der ein wenig linkisch auf dem Sofa saß –, »das ist Mr. Rich. Wahre Gentlemen, meine liebe Tochter.«
Mr. Goodman ließ ein »Enchanté, Mademoiselle« vernehmen, während der Bariton seines Komplicen eher nach einem »How do you do, Miss Carter« klang.
Ich sagte ganz einfach: »Guten Abend.«
»Mr. Goodman und Mr. Rich sind Amerikaner«, fuhr mein Vater fort. »Sie kommen geradenwegs aus der Pariser Redaktion des World Reporter . Um für eine Reportage – oh, ich bitte um Verzeihung, eine umfassende Reportage – über die Mitarbeiter internationaler Nachrichtendienste zu recherchieren. Und sie glauben allen Ernstes, ich könnte ihnen dabei behilflich sein. Darum wollen sie mich auch interviewen. Richtiger gesagt: Mr. Goodman interviewt mich, während Mr. Rich, der Fotograf, hoffnungsvoll an seiner Kamera herumfingert und auf eine günstige Gelegenheit zum Schuß wartet. Ist das nicht aufregend, meine Liebe?«
»Sehr aufregend«, antwortete ich. »Es ist wohl am besten, ich lasse euch jetzt wieder allein.«
»Aber nein, Valerie.« Er drängte mich in einen Sessel. »Bleib doch bitte hier. Und Mr. Rich möchte sicher auch, daß du noch nicht gehst. Du siehst so viel besser aus als ich, und schließlich ist er doch Fotograf, ein Künstler. Nicht wahr, Mr. Rich? Und was Mr. Goodman betrifft, so hat er sicherlich nichts dagegen einzuwenden, daß du bleibst.«
»Es würde mich sogar freuen«, meinte Mr. Goodman.
»Ja.« Mein Vater warf ihm ein böses Lächeln zu. »Wenn Mr. Goodman die Tiefen seines Problems auslotet, lohnt es sich, ihm zuzuhören. Du darfst dabei natürlich nicht vergessen, daß Tiefe ein recht relativer Begriff ist und sein Lot wahrscheinlich nicht länger als ein abgekauter Zahnstocher.« Die letzten Worte klangen ausgesprochen giftig.
Mr. Goodman kicherte und sah zu Mr. Rich hinüber. »Verstehst du jetzt, was ich sagen wollte? Theo Carters Stil ist unverwechselbar. Bissig, direkt und treffend; er ist ein Mann, der in der einen Hand eine Keule hat und in der anderen ein Florett – typisch Intercom . Schließlich ist er es ja auch, der alles schreibt. Hat es schon immer getan. Wort für Wort. Ist es nicht so, Miss Carter?«
»Wollten Sie nicht meinen Vater interviewen?« Ich ging zum Sideboard hinüber und schenkte mir ein Glas Dézaley ein. Von diesem Augenblick an beachtete er mich nicht mehr.
»Nun sagen Sie doch, wie es ist, Theo! Der ganze Brief ist von Ihnen. Habe ich nicht recht?«
»Ich bin der Chefredakteur, ja.«
»Danach habe ich eigentlich nicht gefragt, aber lassen wir das jetzt. Kommen wir noch einmal auf den General zu sprechen. War er mit jeder Geschichte einverstanden, die Sie gebracht haben?«
»Nicht unbedingt. Intercom hatte natürlich eine bestimmte Grundtendenz, an die ich mich immer hielt. Und immer noch halte.«
»Sehr interessant. Aber eines möchte ich jetzt genau wissen: diese Tendenz war doch stets unbedingt und einschränkungslos antikommunistisch?«
»Ja.«
»Und auch unbedingt gegen die amerikanische Regierung gerichtet?«
»Sie kennen die Geschichte des Generals ebensogut wie ich.«
»Oppositionell – würden Sie das sagen?«
»Ja.«
»Doch keinesfalls antiamerikanisch?«
»Das wollten Sie schon einmal wissen, Mr. Goodman. Sie wiederholen sich.«
»Dann sagen Sie es mir doch noch einmal, Theo.«
Zuerst hatte ich angenommen, mein Vater ärgerte sich deshalb
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