Das Intercom-Komplott
klären.« Goodman holte ein kleines Notizbuch aus der Jackentasche und schlug es auf. »Am fünfzehnten November brachten Sie eine Geschichte über die Testflüge der neuen FG 115, in der Sie sich auch über die Schwierigkeiten ausließen, die man mit der Maschine hatte.«
»Ja.«
»Stand das im Einklang mit der Tendenz von Intercom ?«
»Allerdings.«
»Den Russen NATO-Probleme auf dem Silberteller zu präsentieren?«
»Nein. Sondern Leerlauf und Nachlässigkeit in einer Weise aufdecken, daß potentielle Schwächen nicht zur wirklichen Gefahr werden.«
»Ich verstehe.«
Und dann machte mein Vater einen Fehler, als er fragte: »Sehen Sie darin etwas Antiamerikanisches?«
»Aha – Sie erkennen immerhin, worauf ich hinauswill, Theo.«
»Wieso?«
»Warum ich Sie gerade nach dieser Geschichte frage. Nein, es ist durchaus nicht antiamerikanisch, wenn man Leerlauf und Nachlässigkeit aufdeckt. Tut man das nicht immer und immer wieder? Aber man arbeitet doch auch dem Gegner in die Hände, wenn man ihm pingelig und genau Punkt für Punkt die geheime Liste der Lieferfirmen zuspielt? Nein, mein Herr, das ist wirklich nicht üblich. Auch nicht für das alte Intercom , wie es jeder kennt. Und liebt. Aber gehen wir weiter, Theo.« Er blätterte in seinem Notizbuch. »Zweiundzwanzigster November. Story über Schwierigkeiten der Russen mit Raketentreibstoff. Was haben Sie mit dieser Geschichte beabsichtigt?«
Ich wußte, daß er jetzt über das zweite SESAM-Bulletin sprach, und ich mußte mir Mühe geben, nichts zu sagen. Aber mein Vater schien fast zu lächeln, als er antwortete. Man hätte denken können, daß sein Ärger vollkommen verflogen war.
»Liegt das nicht auf der Hand?« fragte er. »Schlechte Nachrichten für sie sind gute Nachrichten für uns. Ich denke, wir sollten uns dann und wann selbst ein wenig Mut machen.«
»Haben Sie die Geschichte selbst geschrieben, Theo?«
»Nein.«
»Aber Sie sagten doch, daß jeder Artikel von Ihnen stammt.«
»Nein, Mr. Goodman. Das habe nicht ich behauptet, sondern Sie. Ich sagte nur, daß ich Chefredakteur bin.«
»Wer hat die Geschichte denn geschrieben, Theo? Von wem haben Sie sie?«
Mein Vater erhob sich wieder. »Lassen wir es sein, Mr. Goodman. Das Spiel ist aus. Ich will nachsichtig sein. Vielleicht sind Sie zu dumm oder zu unerfahren, um nicht zu wissen, daß Sie eine solche Frage nicht stellen dürfen, zu dumm oder zu unerfahren auch, um nicht zu erwarten, daß Sie darauf eine vernünftige Antwort erhalten. Aber weil ich weiß, daß Sie nicht dumm sind, halte ich Sie auch nicht für unerfahren. Von nun an werden alle meine Antworten gleich lauten: Kein Kommentar, verschwinden Sie.«
Goodman lächelte. »Immer mit der Ruhe, Theo. Kein Grund, sich in Ihrer Journalistenehre angegriffen zu fühlen. Ich will die Frage anders stellen.«
»Wäre meine Tochter nicht im Zimmer, würde ich Ihnen sagen, wo Sie Ihre Fragen stellen könnten. Wie Sie es tun, interessiert mich nicht. Und ein für allemal: Kein Kommentar. Verschwinden Sie. Beide.«
Rich war der erste, der seiner Aufforderung nachkam. Er erhob sich, nahm seine Kamera von der Couch und schob sich den Tragriemen der Bereitschaftstasche über die Schulter.
Mein Vater beobachtete ihn mit boshaftem Grinsen. »Wissen Sie überhaupt, wie man so ein Ding bedient?« fragte er.
Rich antwortete nicht, sondern sagte nur: »Vielen Dank für den Whisky, Mr. Carter.« Dann ging er hinaus auf den Flur.
Ich war ziemlich erstaunt, daß auch Mr. Goodman aufstand und ihm folgte, ohne meinen Vater auch nur eines einzigen Blickes zu würdigen.
Ich zögerte einen Augenblick lang, bevor ich zu ihnen hinausging. Rich hatte sich seinen Mantel schon übergestreift und verstaute seine Apparatur in den Lederkoffer. Ich ging an ihnen vorbei und öffnete die Wohnungstür.
Goodman war zuerst fertig. »Gute Nacht, Miss Carter«, verabschiedete er sich. »Nett, Sie kennengelernt zu haben.«
Da ich seine Ansicht nicht teilen konnte, antwortete ich nicht. Er ging ohnehin schon die Stufen hinunter.
Bei Rich dauerte es ein wenig länger. »Danke«, sagte er, »wir hätten bestimmt auch allein hinausgefunden.« Doch als er schon in der Türe stand, sagte er noch etwas ganz anderes:
»Sagen Sie Ihrem Vater, er soll vorsichtig sein, Miss Carter.«
»Warum?«
Er zuckte die Achseln. »Wir leben in einer ungemütlichen Welt, und es gibt viele Leute, für die ›Kein Kommentar‹ als Antwort nicht genügt. Sagen Sie ihm das. Gute Nacht,
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