Das Intercom-Komplott
so sehr über Mr. Goodman, weil dieser ihn »Theo« nannte; jetzt spürte ich, daß es noch etwas anderes war: seine einschüchternde Art. Das war nicht nur ein Journalist, der zu einem Interview gekommen war, sondern jemand, der einen Verdacht hatte und verhörte – ein Inquisitor, dem Ketzer auf der Spur.
Ich überlegte nur, wie Mr. Rich über die Methoden seines Kollegen dachte. Er saß auf dem Sofa und ließ seine Finger geistesabwesend über sein Blitzlichtgerät gleiten. Seinen Wein hatte er kaum angerührt. Er war schlank und sah auf schwer zu beschreibende Art gut aus. Er wirkte weitaus älter als Mr. Goodman, gleichzeitig aber auch viel gesünder. Vor ihm auf dem Couchtisch lag ein Heft der Réalités , auf das er seine ganze Aufmerksamkeit zu richten schien – stirnrunzelnd, als müsse er über das Titelfoto nachdenken.
»Aber in der letzten Zeit hat sich doch einiges geändert, Theo?«
»Der Besitzer, ja. In der Redaktionspolitik jedoch nichts.«
»Aber versuchen Sie doch nicht, uns etwas vorzumachen, Theo.« Mr. Goodman kniff die Augen zusammen und ließ seine Zähne sehen. »Versuchen Sie doch nicht, uns Märchen zu erzählen.«
Mein Vater erhob sich. »Sie haben mir eine Frage gestellt, Mr. Goodman, und ich habe Ihnen geantwortet. Sie behaupten Journalist zu sein. Warum benehmen Sie sich dann nicht entsprechend?«
Er schenkte sich selbst noch einmal nach. Ich stand noch am Sideboard und konnte deshalb genau sehen, wie er zitterte. Er bemühte sich jetzt nicht mehr, seinen Ärger zu verbergen. Ich nahm ihm das Glas aus der Hand.
»Ich mache es schon.«
»Danke, Valerie. Nur ein Glas, höchstens.« Er sprach laut genug, um verstanden zu werden. »Die Herren werden ohnehin bald gehen.«
Goodman pfiff leise durch die Zähne. »Das finde ich aber gar nicht nett, Theo. Wir haben doch gerade erst angefangen.«
Mein Vater ging wieder zum Tisch zurück. »Für Sie war es vielleicht der Anfang, aber nicht für mich. Sie haben sich selbst eingeladen. Schön. Und ich bitte Sie jetzt, sich zum Teufel zu scheren.«
Goodman hob seine Hände in theatralischem Schrecken. »Ich habe Ihnen doch nur eine Frage gestellt …« Er wandte sich an Rich. »Oder habe ich etwas gesagt, das ich nicht hätte sagen dürfen?«
Rich zuckte die Achseln. »Vielleicht will Mr. Carter nicht über den neuen Besitzer sprechen«, antwortete er. »Vielleicht darf er es nicht.«
»Ja, ja, vielleicht.« Goodman nickte bedächtig. »Ist es so, Theo?«
»Sie haben mich über den neuen Besitzer nicht ausgefragt«, antwortete mein Vater, »wie also nehmen Sie an, ich wollte nichts über ihn sagen?«
»Das stimmt. Arnold Bloch – so heißt er doch? B-l-o-c-h? Dr. Bruchner wird sich bestimmt nicht geirrt haben.«
Aus irgendeinem Grunde schien die Erwähnung dieses Namens meinen Vater aus der Fassung zu bringen. Er setzte sich wieder.
»Nein, Sie haben sich nicht geirrt.«
»Und er wohnt in München?«
»Er hat dort ein Büro.«
»Deutscher?«
»Er spricht deutsch.«
»Dann ist er also Deutscher?«
»Warum fragen Sie ihn nicht selbst?«
»Wir wollen es von Ihnen erfahren, Theo.«
»Ich weiß es nicht. Ich habe ihn noch nie gesehen.«
»Aha. Soso.« Goodman mimte baffes Erstaunen. »Etwa der große Unbekannte?«
»Wenn Sie ihn zum großen Unbekannten machen wollen – tun Sie es nur. Als PR-Mann der Industrie kann er Publizität gut gebrauchen. Das ist nützlich – fürs Geschäft.«
»Er ist ein PR-Mann?«
»Ich sagte es. Spreche ich nicht deutlich genug?«
»Wir wollen es nun einmal genau wissen, Theo.«
Mir fiel auf, daß Mr. Goodman immer im Plural sprach. Ich gab meinem Vater sein Glas. Ich hatte es bis zum Rand gefüllt.
»Habe ich recht, wenn ich annehme, daß dieser Herr Bloch für die neue Intercom- Politik verantwortlich ist?«
Einen Augenblick fürchtete ich, mein Vater würde ihm den Whisky ins Gesicht schütten. Und wenn er etwas anderes in der Hand gehabt hätte als ausgerechnet ein gefülltes Glas, er hätte es geworfen. So aber setzte er es vorsichtig ab und zögerte noch eine Weile, ehe er antwortete.
»Zum letzten Mal«, sagte er ganz ruhig, »und ich meine es so: zum letzten Mal , es gibt keine neue Politik. Herr Bloch ist mit Intercom einverstanden, wie es ist, und er will, daß es sich nicht verändert.«
»Okay. Herr Bloch ist also der Gutsbesitzer, der sich in der Stadt aufhält, und Sie sind sein Verwalter. Stimmt das, Theo?«
»Ja.«
»Dann können wir vielleicht ein paar Einzelheiten
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