Das Intercom-Komplott
aller Wahrscheinlichkeit nach breites Interesse finden und heftige Diskussionen auslösen wird.
Bloch
Als ich dieses Memorandum zu Ende gelesen hatte, war ich nun wirklich verwirrt. Ich reagierte nicht viel anders als Dr. Bruchner, als er jenes Telegramm erhielt, in dem Bloch den Mindestpreis für die Intercom-Aktien angegeben hatte: Ich begann darüber nachzudenken, ob Arnold Bloch und seine Partner noch bei Verstand sein konnten.
Dann wandte ich mich dem SESAM-Bulletin Nummer sechs zu. Die Überschrift lautete: ›Erfolgreicher Einsatz von Electrets in einem neuartigen Torpedo-Leitsystem.‹
Alles, was ich diesem Bulletin entnehmen konnte, war, daß der Royal Naval Scientific Service , eine Unterabteilung des englischen Verteidigungsministeriums, ein Torpedo entwickelt hatte, dessen Steuerung von einem Computer übernommen wurde, für den man keramische Electrets verwendet hatte. Die technischen Erläuterungen füllten mehr als eine Seite.
Ich wußte nicht, was ein Electret überhaupt ist. Da es der Royal Navy immerhin bekannt war, vermutete ich, es in der dreizehnbändigen Ausgabe des Oxford Dictionary finden zu können. Aber dort stand nichts darüber. Schließlich entdeckte ich es im großen Webster . Ein Electret sei, so erfuhr ich dort, »ein dielektrischer Körper mit permanenter elektrischer Polarisation«. Wenn Sie, Mr. Latimer, damit etwas anfangen können, darf ich Ihnen gratulieren.
Ich konnte aus alldem nur schließen, daß Bloch offenbar noch immer davon überzeugt war, daß den Interessen seiner Partner dadurch am besten gedient war, daß er militärische Geheimnisse publik machte – und daß es ihn überhaupt nicht kümmerte, wessen Geheimnisse es waren. Die NATO bekam dabei ebenso ihr Fett ab wie der Warschauer Pakt auf der Gegenseite. Wie man sich auf diese Weise der Freundschaft hochgestellter Persönlichkeiten versichern konnte – wenn diese nicht in Rotchina oder in der Organisation für Afrikanische Einheit saßen –, war mir schleierhaft. Wenn Arnold Bloch nicht verrückt war, so mußte er etwas wissen, was mir noch unbekannt war.
Ich wandte mich noch einmal dem Memorandum zu, doch beim Lesen verwirrte es mich immer mehr. Und ich begann mich darüber zu ärgern. Vor allem über die Durchhalteparolen.
Ich weiß, Mr. L. daß Sie annehmen, mit ihnen sollte ich dahin gebracht werden, gegen alles bessere Wissen etwas zu unternehmen. Ich bin anderer Ansicht. Vergessen Sie nicht, daß ich diesem ›Oberst Jost‹ begegnet bin, und jene Art von Gerissenheit, über die er Ihrer Meinung nach verfügt, konnte ich bei ihm nicht entdecken. Was mich am meisten ärgerte, war diese unverschämte Aufdringlichkeit. »Wir dürfen jetzt nicht schwach werden, keine Bereitschaft zu Kompromissen zeigen und uns nicht einschüchtern lassen.« Dieser pathetische Knilch! Sie dürfen nicht vergessen, daß es für mich dieser Arnold Bloch war, der hier sprach, und gerade das machte das ganze für mich so widerlich. Ich war vielleicht nicht immer ein Kreuzritter für die Wahrheit, aber ich hatte keine Lust, mir von einem verdammten PR-Mann Vorträge über die Pressefreiheit halten zu lassen, über die Verpflichtung des Journalisten, sich in seiner Arbeit nicht durch Dritte beeinflussen zu lassen.
Vor allem über eines änderte ich meine Entscheidung während der neuerlichen Lektüre des Memorandums nicht: ich wurde eher noch fester entschlossen, Bloch persönlich zu treffen oder zumindest mit ihm telefonisch Kontakt aufzunehmen. Denn noch immer waren Fragen offengeblieben, die dringend einer Antwort bedurften. Und ich wollte auch wissen, wie er darauf reagieren würde, daß es die CIA war und nicht der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND), die hinter uns her war, und daß zumindest ich allmählich zu erkennen begann, worauf sie hinauswollten.
Ich versuchte also, ihn in München anzurufen.
Und als ich ihn dort nicht erreichen konnte, entwarf ich den Text eines Telegramms:
MEMORANDUM HEUTE ERHALTEN . GESTERN FRAGTEN AMERIKANER NACH QUELLE VON SESAM , DA BULLETINS AMERIKANISCHEN INTERESSEN ZUWIDERLIEFEN . IHR AUFTRETEN AUFDRINGLICH . MEINE WEIGERUNG , QUELLEN PREISZUGEBEN , OFFENSIV . WENN ICH NATUERLICH AUCH WEITERHIN DIESEM UND AEHNLICHEM DRUCK NICHT NACHGEBE , BEKUEMMERN MICH DOCH VERSCHIEDENE ASPEKTE DER SESAM - KAMPAGNE , UNTER ANDEREM AUSWIRKUNGEN AUF GROSSTEIL DER LESER BEI ABONNEMENTSVERLAENGERUNG . ERACHTE GESPRAECH MIT IHNEN UEBER ZUKUENFTIGE REDAKTIONSPOLITIK NOCH IN DIESER WOCHE NOTWENDIG
Weitere Kostenlose Bücher