Das Intercom-Komplott
er scheint zu wissen, was er will.«
»Und ist überaus vorsichtig.«
Da Dr. Bruchner eigentlich der Meinung war, sein Klient sei von Sinnen, wußte er nicht so recht, was er antworten sollte.
»Ich hoffe, er ist es«, sagte er vorsichtig.
Dr. Schwob gab sich mit einemmal jovial. »Das hoffe ich auch, sehr sogar. Auf Wiederhören, Herr Dr. Bruchner.«
»Auf Wiederhören, Herr Dr. Schwob.«
Bruchner legte den Hörer auf, wischte sich mit seinem Taschentuch über die Stirn und rief seine Sekretärin, um ihr ein Telegramm an Herrn Bloch zu diktieren.
BANKHAUS SCHWOB PRUEFT BEDINGUNGEN . HALTE SIE UEBER MOEGLICHE ENTWICKLUNGEN AUF DEM LAUFENDEN . BEDAUERLICHE MITTEILUNG DER MUENCHNER POLIZEI UEBER EINBRUCH IN IHR BUERO VERGANGENE NACHT . TAETER UNBEKANNT . POLIZEI BITTET SIE ODER BEVOLLMAECHTIGTEN ZUR SCHADENSFESTSTELLUNG BUERO AUFZUSUCHEN .
B RUCHNER
Als nächstes dachte er an Theodore Carters Anruf vom Mittwoch und überlegte, ob er ihm nicht Blochs Postlageradresse mitteilen sollte. Aber dann entschloß er sich doch, es nicht zu tun. Zwei Tage waren vergangen, ohne daß er etwas von ihm gehört hatte; daraus war zu schließen, daß er Bloch jetzt nicht mehr so dringend sprechen mußte. Er wußte, daß dies reines Wunschdenken war, doch hatte er keine Lust, sich ausgerechnet jetzt, da Intercom ihm ohnehin Sorgen genug bereitete, auch noch mit Carters Schwierigkeiten abzuplagen. Carter konnte warten.
Statt dessen ließ er sich den Ordner mit den letzten Intercom -Ausgaben bringen.
Normalerweise machte Dr. Bruchner sich nicht die Mühe, Intercom zu lesen. Seine Sekretärin heftete sie Woche um Woche in einen Aktenordner, sobald sie angekommen waren, und bewahrte sie in einem Regal ihres Arbeitszimmers auf. Früher hatte Dr. Bruchner hin und wieder einen Blick hineingeworfen – meistens dann, wenn er sich für ein Treffen mit dem General vorbereiten wollte –, aber in der letzten Zeit hatte es dafür keinen Grund gegeben. Wie er schon Goodman gesagt hatte: Was in Intercom gedruckt wurde, ging ihn nichts an. Seine Aufgabe war es, die geschäftlichen Angelegenheiten abzuwickeln; alles andere lag in Theodore Carters Händen.
Nun allerdings war alles anders. Dr. Schwobs gelassene Reaktion auf Blochs Gegenforderung hatte den Anwalt neugierig gemacht. Und jetzt überlegte er auch, welchen Einfluß es auf seine Stellung haben würde, wenn die Aktienmehrheit für eine solch hohe Summe den Besitzer wechselte. Er hatte vorsichtig auf den indirekten Wert des Unternehmens angespielt, doch warum war niemandem schon vorher eingefallen, daran zu denken? Als der General noch am Leben war, hatte sich niemand nach den Intercom -Aktien erkundigt, und ein Kaufangebot zu machen war erst recht niemandem in den Sinn gekommen. In den drei Monaten nach dem Tod des Generals hatten sich zwei Parteien für das Paket interessiert; zuerst Bloch – der weit mehr dafür gezahlt hatte, als sie wert zu sein schienen – und nun dieser Kunde des Bankhauses Schwob. Was war mit Intercom geschehen? Warum bemühte man sich mit einemmal, es in seinen Besitz zu bekommen?
Er begann zu lesen.
Dr. Bruchner ist nicht nur Jurist. Als gesunder Schweizer, der das sechzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist er auch Soldat. Ein Reservemajor, dessen Wehrübung in diesem Jahr auch aus einem Lehrgang für Stabsoffiziere bestanden hatte.
Es fiel ihm nicht schwer, die SESAM-Bulletins als Beiträge Blochs zu erkennen. Es lag auf der Hand, daß sie nicht von Carter verfaßt waren. Aber seine Befriedigung darüber, daß er im englischen Text die stilistischen Unterschiede entdeckt hatte, hielt nicht lange an. Wenn er auch nicht ausreichend genug informiert war, um zu sehen, daß diese Bulletins durch Lücken im Geheimhaltungsnetz der NATO und des Warschauer Pakts geschlüpft sein mußten, wußte er doch genug, daß sie ihn einigermaßen beunruhigten. Und als er nun versuchte, einen Zusammenhang zwischen ihnen und seinem letzten Gespräch mit Dr. Schwob zu entdecken, kamen ihm ernsthafte Sorgen. Er hatte das Gefühl, daß mit Intercom etwas vor sich ging, das er besser nicht wußte.
Wäre es nicht vielleicht am vernünftigsten, der Sache nicht weiter auf den Grund zu gehen? Sollte er die Dinge nicht besser sich selbst überlassen? Denn schließlich handelte er in dem guten Glauben daran, daß alles korrekt zuging, und sicherlich war es bei Dr. Schwob nicht anders. Denn tatsächlich waren sie doch nichts anderes als Mittler zwischen einem
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