Das Internat
Raumes erstreckte. Der Spiegel darüber schien in der Luft zu hängen.
Dieses Haus hat keine Wände, stellte sie fest, als ihr Blick auf etwas fiel, das eine Küche hinter einem Granittresen zu sein schien. Ein altmodischer Aufziehwecker auf dem Nachttisch verriet Mattie, dass es zehn Uhr war. Es musste morgens sein, weil die Sonne durch das eigenartigste Oberlicht fiel, das sie je gesehen hatte.
Der aufgeklappte Mumienschlafsack, der über einem Stuhl hing, weckte vage Erinnerungen an einen Leichensack. Hatte er versucht, sie darin warm zu halten?
Jameson reichte ihr ein Glas Wasser, in dem ein Strohhalm stand. Mattie nahm es dankbar entgegen.
"Jemand hat versucht, dich umzubringen", sagte er. "Ich habe dich lieber hierhergebracht als ins Krankenhaus. Ich dachte, dass du dich vielleicht nicht mit dem Papierkram oder den polizeilichen Befragungen auseinandersetzen willst."
Jemand hatte versucht, sie umzubringen. Man hatte ihr auf den Kopf geschlagen und sie dann in einen Karton gesteckt, um sie zu verbrennen.
Tausend Grad Celsius … Trotzdem bleibt nicht nur Asche über, so gern man es auch glauben würde. Es gibt Knochenrückstände, die zermahlen werden müssen.
Mattie stellte das Glas auf dem Nachttisch ab und verschüttete dabei die Hälfte. Ihr Gesicht wurde heiß, und die Brust schien sich ihr zusammenzuschnüren. Plötzlich fiel es ihr schwer, zu atmen.
"Alles in Ordnung?"
Sie schüttelte den Kopf und schloss die Augen, so als hätte sie so eine bessere Kontrolle über sich. "Seit wann bin ich schon hier?"
"Seit gestern Nacht."
Gestern Nacht? Dann war es der zweite Angriff in zwei Tagen gewesen.
"Mattie, du zitterst."
Sie fand ihre Stimme wieder. "Wer war es?"
"Ich weiß es nicht. Als ich ins Krematorium kam, warst du verschwunden, aber dein Auto stand noch auf dem Parkplatz. Ich wusste, dass irgendetwas nicht stimmte, also griff ich mir den Jungen in der Kapelle und zwang ihn, jeden einzelnen Sarg zu öffnen, bis wir dich gefunden hatten. Ich habe ihm Geld gegeben, damit er nicht die Polizei ruft."
Ihre Augen weiteten sich. Entgeistert sah sie ihn an. "Woher wusstest du, dass ich im Krematorium bin? Was hast
du
dort gemacht?"
"Ich bin dir gefolgt."
"Du bist mir gefolgt?"
"Ja – und offensichtlich war ich nicht der Einzige."
"Du bist mir
gefolgt?"
"Lass es mich so ausdrücken: Ich habe dich im Auge behalten. Und warum auch nicht, Frau Richterin? Du bist die Hauptverdächtige in zwei Mordfällen. Es hätte deine Rückkehr an den Ort des Geschehens sein können."
Sein Schulterzucken verriet, dass es ihm völlig egal war. Er würde sie sowieso irgendwann in die Knie zwingen. Mattie spürte einen Anflug von Verzweiflung. Wer war dieser Mann? Und wo war der Jimmy Broud, an den sie sich erinnerte? Der, der schlafende Mädchen in die Krankenstation einlud?
"Wenn ich die Mörderin bin, wer versucht dann, mich zu ermorden? Hat sich dir diese Frage jemals gestellt?"
"Jetzt ja."
Ihr Kopf schmerzte bis in die Schädelknochen. Jede Muskelfaser protestierte, als Mattie versuchte, sich aufzusetzen und dabei die Decke mit sich zu ziehen. Es überraschte sie, als sie den blauen Fleck an ihrer Schulter und die Schnittwunden des ersten Angriffs sah. Trotzdem musste sie aufstehen. Wenn sie lag, war das ein Zeichen von Verwundbarkeit.
Cross stand auf und begann, das Zimmer aufzuräumen, indem er Kleidungsstücke aufhob und Schränke und Schubladen schloss. Ihre Sachen erkannte Mattie in dem Haufen, den er über dem Arm trug, nicht. Auch ihre Tasche konnte sie nirgendwo entdecken. Sie fragte sich, was er damit gemacht hatte, sprach es jedoch nicht laut aus. Sie fühlte sich noch nicht bereit, zu fragen. Nachdem Cross alles in einen Wäschekorb fallen gelassen hatte, ging er zu einem Schrank und zog ein frisches Hemd heraus, eines mit fließenden Linien und langen Ärmeln. Er zog es über, ohne es vorher zuzuknöpfen.
Schwarze Seide? Ein schöner Kontrast zu seinem goldenen Hautton. Sie hatte über ihn gelesen, dass er … was war? Elegant? Makellos? Das fand sie nicht, besonders nicht seine Haare. Sie waren verwuschelt und standen vom Kopf ab. Außerdem hatten seine Jeans Risse, wo das Material abgetragen war.
"Mal sehen, ob ich das verstehe", sagte sie. "Du bist mir zur Kapelle gefolgt, hast einige Zeit gewartet. Und als ich nicht wiederkam, wurdest du misstrauisch. Da bist du losgegangen, um mich zu suchen."
Er nickte kaum merklich.
"Aber du hast nicht gesehen, wie ich aus der Kapelle gekommen und in
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