Das irische Erbe
bin ich einfach nur noch müde.«
»Okay«, er stand sofort auf. »Ich zeige dir dein Zimmer.«
Er trug ihre Tasche die Treppe hoch, die ein wenig steil war. Sie glaubte den Geruch von Farbe zu riechen.
»So, hier bitte.«
Tim öffnete die zweite Tür rechts und trat zur Seite. Überrascht blickte sie in ein kleines, sauberes Zimmer. Links befand sich ein Bett, das durch eine niedrige Truhe vom Rest des Raumes abgetrennt war. In der rechten Ecke standen ein Bücherregal, davor zwei Sessel, ein Tisch und eine Stehlampe mit buntem Lampenschirm. Der Raum strahlte Behaglichkeit aus und Claire sagte spontan: »Das ist aber ein schönes Zimmer.«
Tim blieb stumm.
»Hier ist das Bad«, er öffnete eine weitere Tür.
»Okay.«
»Die Bettwäsche ist sauber, aber nicht mehr schön. Ich muss unbedingt neue kaufen«, sagte er schuldbewusst. Wie früher, dachte sie, wenn er von ihrer Mutter gemaßregelt wurde.
»Nein, sie ist schön«, sagte sie besänftigend.
»Okay, wir sehen uns dann morgen. Wenn du mich nicht im Haus findest, bin ich gegenüber im Stall. Bei Cora.«
Sie konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten. Rasch zog sie sich aus und legte sich hin.
Ganz so einfach würde es nicht sein, ihn zum Verkauf zu überreden, dachte sie schläfrig. Aber im nächsten Moment war sie schon eingeschlafen. Sie träumte von Viktor, der plötzlich vor der Haustür stand und sie mit grimmigem Blick ansah. Er trug eine Krawatte, an der große rote Herzen befestigt waren, die blinkten. Das passte überhaupt nicht zu ihm. Ebenso wenig wie die Wunderkerzen, die er in der Hand trug. Er öffnete den Mund und setzte zum Sprechen an. Aber seltsamerweise bellte er wie ein Hund.
Davon wurde sie wach.
5
S ie wusste sofort, wo sie war. Normalerweise musste sie sich erst immer zurechtfinden, wenn sie in einem Hotel übernachtete. Oft wusste sie nicht einmal, welcher Wochentag war. Aber diesmal war ihr ihre Situation sofort präsent. Tim – Irland – Nina weg. Sie blieb liegen und betrachtete die Wände, die kürzlich erst gestrichen worden waren. Daher stammte wahrscheinlich auch der leichte Geruch nach Farbe, der am Vorabend im Flur hing.
Der Hund bellte immer noch. Ob er Tim gehörte? Claire nahm ihre Uhr vom Nachttisch und sah, dass es kurz nach sieben war. Entschlossen warf sie die Decke zurück, blieb aber einen Moment auf dem Rand des Bettes sitzen und starrte zu Boden. Auch hier wieder alte, aber gepflegte Holzbohlen, die offenbar gerade erst mit Parkettlack versiegelt worden waren. Sie berührte sie kurz mit den Füßen. Sie fühlten sich warm an. Das Fenster wurde durch bunte Vorhänge geschmückt, wahrscheinlich selbst genähte. Nina konnte auch nähen. Sie stand auf und ging zum Bücherregal. Sicher Ninas Bücher. Reitlehren, Bücher über die richtige Pflege der Pferde, Biografien über bekannte Reiter, Bildbände über Gestüte. Ein Buch hatte den Titel › Glückliche Ehen im Sattel ‹ .
Typisch Nina.
Sie ging ins Bad. Am Abend hatte sie es nicht mehr benutzt. Zu ihrer Überraschung sah sie, dass auch hier alles neu war. Den Boden bedeckten helle große Fliesen, die Wände waren im gleichen Farbton gehalten, die Fliesen aber kleiner. Die Dusche mit zusammenschiebbarer Tür befand sich in einer Ecke. Die Badematten auf dem Boden und sogar der Stapel Handtücher passten farblich ganz genau. Auch hier hatte sicher Nina die Hand im Spiel gehabt.
Sie stellte sich unter die Dusche und drehte das Wasser vorsichtig auf, in der Erwartung, dass es eine Weile dauern würde, bis heißes Wasser kam. Aber sie wurde enttäuscht. Sofort schoss heißes Wasser aus den Düsen.
Da sie nicht wusste, was als Nächstes anstand, schlüpfte sie in eine Jeans und zog einen Rollkragenpullover über. Dazu feste, alte Schuhe, die sie schon längst weggeben wollte.
Schon auf dem Flur konnte sie den Kaffee riechen. Neugierig, ob sich ihr gestriger Eindruck bestätigte, betrat sie die Küche. Tim hatte liebevoll den Tisch gedeckt und schon einen Kaffee getrunken, wie sie an der benutzten Tasse erkennen konnte. Wahrscheinlich war er wieder im Stall. Auf den Ablageflächen lag noch mehr als am Vorabend. Aufgeschnittenes Brot, ein Paket Butter, Messer, ein halb gefülltes Glas Marmelade, abgeschnittene Käsekrusten. Auf dem Herd stand eine Pfanne. Der Ofen brannte wieder, hin und wieder war ein Knacken zu hören. Hier konnte man sich wirklich wohlfühlen.
Sie setzte sich und schenkte sich Kaffee ein. Es gab Rührei, zwei gegrillte Tomaten und
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