Das irische Erbe
sich verloben. Und heiraten. Und Lena und Max würden die Trauzeugen sein.
Nein, sie würde nicht mit ihm nach Deutschland fahren. Sie musste zuerst prüfen, ob ihr Hotelprojekt zu verwirklichen war. Wenn nicht, konnte sie ihren Bruder immer noch überreden, alles zu verkaufen. Aber bei diesem Gedanken sank ihr Herz. Sie bezweifelte, dass sie das fertigbringen würde. Und sie wollte ihn auf keinen Fall enttäuschen. Nicht jetzt, wo er wegen Nina sowieso schon so geknickt war. Und sie selbst? Sie hatte dieses wunderschöne Haus gesehen, das absolut perfekte Hotel. Ihr großer Traum. Nein, sie würde nicht aufgeben, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Das konnte niemand von ihr erwarten.
Viktor würde sich gedulden müssen.
Es konnte auch sein, dass Nina wieder zurückkam. Wie es dann weitergehen würde, war auch nicht klar. Obwohl Tim gesagt hatte, er habe noch Kapital, war sie sicher, dass er im Moment aus dem Hof keine Einkünfte erzielte. Wovon lebte er eigentlich?
Sie stand auf und ging ins Bad. Eigentlich konnte sie im Moment keine Entscheidung treffen. Vielleicht sollte sie das Viktor auch so sagen. Dass er warten müsse, dass sie erst einmal sehen musste, wie es weitergehen würde. Immerhin hatte sie geplant, drei Wochen zu bleiben. Vorher würde sie auf keinen Fall zurückfahren. Ja. So würde sie es machen, entschied sie. Das konnte er sicher verstehen.
Sie frühstückte schnell und beschloss, sich das Haus endlich gründlicher anzusehen. Und das Gästezimmer. Und dann würde sie sauber machen.
Sie begann unten. Gegenüber der Küche war eine Tür, die in eine Art Büro führte. In einem offenen Regalschrank befanden sich Aktenordner, sauber beschriftet in Ninas kindlicher Handschrift. Ein schwerer Eichenschreibtisch stand unter dem Fenster, leer bis auf einen Kugelschreiber, eine alte Tageszeitung und ein schwarzes Telefon mit altmodischer Wählscheibe. Zuerst dachte sie, es sei eine Attrappe, aber ein schwarzes Kabel führte in eine Buchse in der Wand und als sie den Hörer abhob, ertönte ein Freizeichen. Neben dem Schreibtisch stand auf einem separaten kleinen Tisch ein Fax, dessen Leuchtanzeige grün blinkte. Dennoch sah der Raum aus, als würde er nicht benutzt.
Die nächste Tür führte in das hinten liegende Wohnzimmer, das die ganze Breite des Hauses einnahm. Die großen Fenster gestatteten einen Blick in den Garten. Das Mobiliar des Raumes war gebraucht, vielleicht hatte Tim die Möbel übernommen.
Die linke Seite des Raums war als Wohnzimmer eingerichtet. Die Polstergarnitur war gut erhalten, aber auf dem niedrigen Holztisch befanden sich Kratzer, nur unzulänglich durch einen Tischläufer verdeckt. Es gab einen Fernseher und eine altmodische Musikanlage mit Plattenspieler. Zwei ebenfalls alte Schränke mit Intarsienarbeiten schimmerten matt. Als sie einen der Schränke öffnete, blickte sie auf Stapel von Prospekten, Büromaterial, Disketten und Pferdebücher. Ein Korb mit Reitzeitschriften, die Nina noch aus Deutschland mitgebracht hatte, stand neben der Couch.
Eine alte Standuhr mit verschnörkeltem Ziffernblatt aus Messing stand ein wenig unglücklich in einer Ecke. Sie trat näher. Die Uhr war wunderschön, das Gehäuse war aus Nussbaum mit Wurzelholzeinlagen, das Kristallglas facettiert. Eine dünne Schicht Staub trübte etwas den Glanz. Vorsichtig schloss sie mit einem winzigen Schlüssel die Tür auf und berührte den Terpentikel. Ein rhythmisches Ticken setzte ein.
Die rechte Seite des Raumes diente als Büro. Deshalb wirkte das Arbeitszimmer auch so unbenutzt. Ein etwas kleinerer Schreibtisch war mit Papieren übersät. Zwei Aktenordner lagen aufgeschlagen vor der Tastatur, die zu einem ziemlich neuen Computer gehörte. Dazu ein Drucker und ein Bildschirm, dessen Größe darauf schließen ließ, dass Tim ihn gebraucht erstanden hatte. Ein Irisches Wörterbuch und unleserliche Notizen zeigten, dass Tim sich die Sprache tatsächlich aneignen wollte.
Wahrscheinlich wollte er in Ninas Nähe sein, wenn er arbeitete. Sie sah es vor sich, Nina vor dem Fernseher, Tim am Schreibtisch sitzend, in dem Versuch, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, worin Nina ihn störte, sobald es etwas Interessantes zu sehen gab. Nina mit hochgezogenen Beinen auf der Couch, Chips futternd, die sie Tag und Nacht essen konnte, und ein Glas Rotwein auf dem Tisch.
Sie wusste immer noch nicht, was eigentlich passiert war.
Seufzend sah sie auf die in bunten Übertöpfen stehenden Pflanzen, die seit Ninas
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