Das irische Erbe
zusammengekniffenen Augen. Und dann fiel es ihr ein. Sie hatte ihn in dem Lokal gesehen, in dem sie mit McConell über das Grundstück gesprochen hatte. Er saß mit einem anderen Mann am Nachbartisch.
»Glauben Sie, dass Sie das Richtige tun?«, fragte er unvermittelt.
»Wie bitte?« Perplex starrte sie ihn an. »Wie meinen Sie das?«
Er runzelte die Stirn.
»Über Sie wird geredet.«
»Über mich?«
»Ja. Und über Ihr Hotelprojekt. Es heißt, Sie wollten hier ein Luxushotel aufmachen. Etwas für vermögende Leute mit allem Drum und Dran. Und in Ihnen sieht man eine eiskalte Geschäftsfrau, die sich einen Teufel um andere kümmert.«
Es verschlug ihr die Sprache.
»Ich weiß nicht, was Sie meinen«, stotterte sie. »Wer sagt denn so etwas von mir? Mich kennt hier doch keiner.«
»Offensichtlich doch. Ihr Ruf scheint Ihnen vorausgeeilt zu sein.«
Ihr Herz klopfte immer noch heftig, als sie den Wagen aufschloss. Der Blick in den Innenspiegel zeigte ihre geröteten Wangen. Und sie hatte einen trockenen Mund. Eine eiskalte Geschäftsfrau, ausgerechnet sie. Wer konnte so etwas gesagt haben? Sie glaubte ihm nicht. Wahrscheinlich hatte er das einfach nur so behauptet, um sie zu kränken. Sollte er doch denken, was er wollte. Vielleicht hatte ihn ihr Kostüm gestört. Eine Geschäftsfrau, das passte wohl nicht in sein Weltbild. Waren die Iren nicht ziemlich konventionell? Hinter der Zeit? Wohl noch nie etwas von Emanzipation gehört!
Sie steckte den Schlüssel in die Zündung. Eiskalte Geschäftsfrau. Einfach lächerlich. Das passte überhaupt nicht zu ihr. Und zu Tim noch viel weniger. Sie atmete tief durch und beruhigte sich wieder. Sie würde Tim nichts davon sagen.
Morgens war das Steinhaus am schönsten. Wenn die Sonne dahinter langsam am Himmel aufstieg und die Schindeln verfärbte, war es, als erwache das Haus aus tiefem Schlaf. Es schien müde die Augen aufzuschlagen und verwirrt um sich zu sehen, als brauche es Orientierung und wisse nicht recht, wo es sich befinde. Aber dann schien es unmerklich zu lächeln und sich zu recken, bereit für den neuen Tag.
Es war wirklich das Haus, das sie immer schon gesucht hatte, ohne bewusst danach Ausschau zu halten. Sie hatte es eher gefunden als gesucht und sofort gewusst, dass sie am Ziel war. Welch ein Glücksfall war es doch, dass alles so gekommen war.
Am nächsten Tag ging Alex mit Scabri ins Gelände, um mit dem Wallach ein paar Sprünge zu nehmen. Als er zurückkam, verließ Claire gerade das Haus. Sie wollte eigentlich in das Steinhaus gehen und die Räume ausmessen. Sie blieb in der Tür stehen und sah zu ihm hin.
Er machte zu Pferd eine wirklich gute Figur. Und mit dem gewölbten Hals und den weiten Nüstern wirkte der Wallach sehr edel. Er hat Rasse, dachte sie. Ob er ein Vollblut war?
»Hallo«, er ritt auf sie zu und sprang mit einem Satz hinunter.
»Wie gehts?«
»Gut. Ich war bei Hastings und habe mit ihm einen Ortstermin vereinbart.«
»Sehr schön.« Alex klopfte kurz den schweißnassen Hals und zog sich die Handschuhe aus.
»Ich habe auch seine Mitarbeiterin gesehen,« fuhr sie fort. »Kennen Sie sie?«
»Ich wusste gar nicht, dass er eine hat. Wie sieht sie denn aus?«
»Nun, jung, blond, blöd und nicht sonderlich arbeitswillig.«
Alex lachte und schüttelte den Kopf. Dann stemmte er die Arme in die Seite und fragte: »Wie wäre es mit zehn Minuten?«
»Wie, zehn Minuten?«, stotterte sie.
»Sie könnten ihn trocken reiten. Na los, steigen Sie schon auf. Ich helfe Ihnen.«
»Was? Ich?«, fragte sie entsetzt.
Das Tier wirkte jetzt nur noch groß und gefährlich.
»Ja, sicher, wir gehen drüben in die Bahn. Ich nehme Sie zehn Minuten an die Longe.«
Longe?
»Nein, lieber nicht«, sagte sie.
»Sie müssen reiten können, wenn Sie Reitsport anbieten wollen«, sagte Alex vernünftig. »Also, mit der linken Schulter ans Pferd treten, die linke Hand greift hier vorne an den Riemen, das ist der Anfängerriemen. Die rechte Hand an den hinteren Rand des Sattels.«
Sie blickte ihn mit offenem Mund an. Er kam einen Schritt auf sie zu.
»Stellen Sie sich einmal vor, einer Ihrer Gäste kommt mit Ihnen ins Gespräch und sagt zum Beispiel, er habe Probleme mit ganzen Paraden und ob Sie ihm einen Tipp geben könnten. Was sagen Sie dann?«
Paraden?
Tim erschien und schlenderte auf sie zu.
»Aber ich muss doch kein Fachmann sein, wenn ich ein Sporthotel führe«, entgegnete sie unsicher.
Alex grinste.
»Ganze Paraden lernen Reiter schon
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