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Das irische Erbe

Das irische Erbe

Titel: Das irische Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Clemens
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Herz klopfte so stark, dass sie den Puls in den Schläfen spürte.
    Sie starrte in die Öffnung. Was war das denn? Ein Geheimversteck? Augenblicklich fielen ihr die Geschichten aus ihrer Kindheit ein. Die dunklen Verliese, in denen jemand gefangen gehalten wurde, Geheimgänge, die niemand kannte, und verwinkelte Herrenhäuser, bewohnt nur von einer alten, weißhaarigen Frau. Sie trat vorsichtig ein. Nur schwach erkannte sie die Umrisse einer Lampe und tastete nach einem Lichtschalter. Sie drehte daran, ohne große Hoffnung. Aber die Glühbirne flammte auf und sie konnte den Raum genauer betrachten. Mannshohe Spinngewebe zogen sich von einer Wand an die andere. Ein Rascheln ließ sie auffahren. Blitzschnell lief eine kleine Maus an ihr vorbei und Claire trat erschrocken zur Seite. Der Raum hatte kein Fenster. Er war ziemlich klein und fast leer bis auf einen Stuhl und einen niedrigen Tisch und einigen Gegenständen auf dem Boden. Plastikteller, Malutensilien, leere Leinwände und ein Sack Blumenerde.
    Dunkle Krümel zu ihren Füßen identifizierte sie als Mäusekot. Dann geriet eine hölzerne Schachtel in ihr Blickfeld. Sie stand auf dem Tisch und war ebenfalls verstaubt. Sie nahm sie vorsichtig hoch und öffnete sie. Ein ledergebundenes Buch lag darin und zwei altmodische Füllfederhalter. Sie setzte sich auf den Sessel und hustete leicht, als eine Staubwolke hochstieg. Sie schlug das Buch auf und sah eine altmodische Handschrift, die etwas verblasst, aber immer noch gut zu entziffern war. Es gab sogar eine Datierung. Januar 1963. Sie las »Patrick war heute wieder unerträglich. Es fing morgens schon an, als er sich über den Tee beschwerte. Abends verschwand er wie üblich. Den ganzen Tag über hat es geregnet. Wie die meiste Zeit, seit wir hier sind.«
    Ein Tagebuch!
    Das Haus hatte tatsächlich ein Geheimnis. Sie wusste sofort, dass sie es keinem sagen würde.

13
    Z wei Tage später begann das Fax im Arbeitszimmer zu rattern, als Claire gerade vor dem Fenster stand und überlegte, ob sie es putzen sollte. Sie erschreckte sich im ersten Moment und wartete dann auf das Ende der Sendung. Es war der Kostenvoranschlag von Ben Hastings, der günstiger ausfiel, als sie gedacht hatte. Handschriftlich hatte er dazunotiert, sie könne ihn abends anrufen.
    Sie studierte den Kostenplan und dann die veranschlagte Zeit. Für die unterschiedlichen Umbauphasen waren jeweils verbindliche Termine vorgegeben. Wenn alles so lief, wäre das Timing perfekt. Vor Weihnachten wollte sie das Hotel eröffnen.
    Nach dem Abendbrot ging sie ins Wohnzimmer und wählte seine Nummer. Beinahe sofort wurde abgehoben. Im Hintergrund erklang leise Musik. Blitzschnell sah sie ein Kaminfeuer, die gedämpfte Beleuchtung einer Stehlampe, ein Glas Rotwein. Er hörte Bach, eines der Brandenburgischen Konzerte. Viktors Lieblingsmusik, daher kannte sie sie. Viktor hörte sie oft leise im Hintergrund, während er irgendetwas machte.
    Um ihn zu provozieren, hatte sie einmal zu ihm gesagt, Bach sei zu wichtig, um als Musikberieselung missbraucht zu werden. Darüber hatte er sich fürchterlich aufgeregt und ihr lang und breit erklärt, wozu Musik gut sei. Er sagte, die Philosophie hoffe, in der Musik ein sicheres Asyl für ihre Projektionen zu finden. Sie hatte nicht verstanden, was er damit eigentlich meinte.
    »Hallo? Marisa?« Ben Hastings sonore Stimme rief sie in die Gegenwart zurück. Ob Marisa seine Freundin war?
    Sie meldete sich hastig und sagte, sie habe seinen Kostenvoranschlag erhalten.
    »Sind Sie damit einverstanden?«, fragte er.
    »Ja, alles bestens. Wissen Sie schon, wann Sie anfangen können?«
    »Morgen«, sagte er kurz und bündig und fügte hinzu: »Ich habe gerade vier Männer zur Verfügung.«
    »Wunderbar.«
    Als sie auflegte, atmete sie einmal tief durch. Jetzt gab es kein Zurück mehr.

    Der große, dünne Mann wollte gerade in sein Brot beißen, verharrte aber mitten in der Bewegung und starrte sie an.
    »Hallo«, sie nickte und überlegte, ob sie ihn in seiner Mittagspause störte. Aber für ihn schien es keine festen Zeiten zu geben. Als sie am Vortag ins Steinhaus gegangen war, aß er auch gerade. Er war sehr groß, bestimmt über zwei Meter, und so dünn, dass sie befürchtete, er könne in der Mitte durchbrechen, wenn er sich hastig bewegte. Vielleicht hatte dieser dürre Riese eine Stoffwechselstörung. Er war offenbar ein Sonderling, der nie etwas sagte, jedenfalls nicht in ihrem Beisein, und sie immer noch anstarrte.
    Seine

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