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Das irische Erbe

Das irische Erbe

Titel: Das irische Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Clemens
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getuschten Wimpern und einem hellen Lippenstift.
    Ben musterte sie anerkennend, sagte aber kein Wort.
    Auf der Fahrt erzählte er ihr von den Anfangsschwierigkeiten beim Entwurf der Kirche und dass er erst den Zugschlag bekam, als der zuständige Dekan in Pension ging und von einem jüngeren, aufgeschlossenen Geistlichen ersetzt wurde. Er fuhr nicht allzu schnell und sie genoss die Fahrt durch die schöne Landschaft, die sich immer wieder veränderte. Irgendwo hatte sie gelesen, es gebe in Irland vierzig Grünschattierungen. Das konnte sie jetzt nachvollziehen. Sie kamen an saftigen Wiesen vorbei, friedlich grasenden Schafherden und dunstigen Torfmooren. Ein kurzer Regenschauer versuchte, die Sonne zu verdrängen, aber nach wenigen Minuten hörte der Regen schon auf und die Sonne strahlte stärker denn je.
    Bei ihrer Ankunft staunte sie über die Menschenmenge, die sich vor der Kirche versammelt hatte. Und alle waren festlich gekleidet. Dunkle Anzüge für die Männer, Röcke und weiße Blusen für die Frauen.
    »Wir können hier gleich ein wenig Werbung für Ihr Hotel machen«, raunte Ben ihr zu.
    »Keine schlechte Idee«, sagte sie.
    Ben stellte sie einem Dutzend Besucher vor, von denen die meisten irisch sprachen. Sie blieb die ganze Zeit an seiner Seite. Dann begannen die Glocken zu läuten und die große Eingangstür wurde geöffnet. Alle strömten in die Kirche, die festlich mit bunten Blumengebinden geschmückt war. Als ein Pfarrer zu Ben trat, wich sie von seiner Seite und ging langsam alleine durch die Kirche. Sie war überwältigt. Die Kirche war groß und modern und altmodisch zugleich. Es gab keine künstlerischen Versuche, die interpretiert werden mussten, sondern eine ruhige Stetigkeit, die an Ewigkeit gemahnte, ohne beängstigend zu sein. Die hohen Fenster erinnerten sie an das bunte Fenster im Steinhaus und ihr fiel wieder ein, was Maureen geschrieben hatte. Sie würde sich unter dem Fenster wie in einer Kirche fühlen.
    Aber Maureen war unglücklich gewesen, verständlich, dass sie nichts erfreuen konnte. Sie ließ ihre Gedanken schweifen, fing das eine oder andere irische Wort auf und genoss die Stille in sich. So müsste es immer bleiben, dachte sie.
    Plötzlich tauchte Ben an ihrer Seite auf und fragte: »Wie gefällt sie Ihnen? Ganz ehrlich, ich bin hart im Nehmen.«
    »Sie ist einfach wunderbar«, sagte sie. »Ich glaube, das ist die schönste Kirche, die ich jemals gesehen habe.«
    In großen weißen Zelten auf einem Parkplatz neben der Kirche wurden Getränke angeboten und sie merkte, dass die Leute sie und Ben beobachteten. Eine ältere Frau trat zu ihnen und sprach Ben irisch an. Sie hörte den Namen › Marisa ‹ und wünschte sich, schon mehr verstehen zu können. Obwohl Ben gelassen blieb, veränderte sich seine Miene. Er sagte etwas und die Frau ging wieder und warf ihr einen kurzen, abschätzigen Blick zu.
    Ob sie ihn wegen Marisa angesprochen hatte, überlegte sie und hätte ihn zu gerne gefragt.
    »Sie ist ein fürchterliches Klatschweib«, sagte Ben. »Eine fremde Frau an meiner Seite, da muss man natürlich gleich nachfragen, wer das wohl ist.«
    Das stimmte nicht ganz, sie hatte ganz eindeutig Marisa erwähnt.
    Nach einer Stunde verabschiedeten sie sich. Ben sprach noch kurz mit dem Pfarrer, dann gingen sie zum Wagen. Schweigend fuhren sie. Sie horchte in sich hinein, auf der Suche nach einer Bezeichnung für das Gefühl, das sie spürte. Sie war aufgeregt und beruhigt gleichzeitig und auf eine Weise glücklich, die sie nicht kannte. Von ihr aus hätte die Fahrt ewig so weitergehen können.

    Allmählich begann es zu dämmern. Einzelne Sterne tauchten auf und als Ben in eine Kurve fuhr, kam der zunehmende Mond in ihr Blickfeld.
    Sie seufzte und musste selbst lachen.
    »Was war das denn jetzt?«, fragte er lächelnd.
    »Ach, ich dachte gerade, dass ich gerne noch einmal siebzehn Jahre alt wäre und romantisch und unbeschwert.«
    »Hatten Sie eine schöne Kindheit?«, fragte er.
    Sie wollte nicht von ihren Eltern sprechen und ihre gute Stimmung verderben, also sagte sie nur: »Ach, ganz normal.«
    Sie gerieten in einen kurzen Stau, weil fünf Schafe auf der Straße hektisch hin- und herliefen, verfolgt von einem wütenden Schäfer. Dann ging es zügig weiter. Die Laternen brannten, als sie auf den Hof fuhren. Ben brachte sie zur Tür und reichte ihr die Hand. Er hielt sie etwas länger und sie spürte seinen kräftigen Händedruck.
    »Claire«, begann er und ihr Herz trommelte in

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