Das irische Erbe
kommen konnte, als Alex sagte: »Tim erzählte mir, die Breitners hätten jede Menge Möbel dagelassen.«
»Ja, das stimmt«, bestätigte sie und fragte dann harmlos: »Kannten Sie eigentlich die früheren Besitzer des Hofes? Die vor den Breitners?«
»Die Camerons? Ich kannte sie natürlich nicht persönlich, habe aber von ihnen gehört. Schlimme Sache damals.«
Ihr Herz klopfte heftiger.
»Was war eine schlimme Sache?«
»Meine Eltern und unsere Nachbarn und sogar eine Tante von mir haben oft von den Camerons gesprochen. Es war ein ständiges Thema und manchmal kam es mir so vor, als hätte ich sie tatsächlich gekannt. Verstehen Sie das? Dass man Menschen durch Erzählungen so kennt, dass man fast schon denkt, man habe sie wirklich persönlich getroffen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nein. Was war denn mit ihnen?«
»Cameron war krankhaft spielsüchtig. Er hat damit die Familie zerstört und das ganze Geld durchgebracht. Er hat um alles gespielt, es hieß sogar, er habe auch seine Frau einmal verspielt, eine Nacht mit ihr. Aber vielleicht ist das nur Geschwätz. Aber alles andere stimmt. Die Spielsucht war für die Familie ein großes Problem und es gab keine Hilfe, wie es heute der Fall ist.«
Das war also das Laster!
»Er hat den Schmuck seiner Frau und die meisten Möbel verspielt. Sie hatten nachher fast nichts mehr im Haus, nur noch die Betten.«
»Er war also spielsüchtig«, konstatierte sie.
»Oh, es kommt noch besser«, sagte Alex und grinste.
»Er hat sich tatsächlich auch einmal duelliert. Die Sache ging glimpflich aus, niemand wurde verletzt. Aber er wäre um ein Haar verhaftet worden.«
Ein Duell im Morgengrauen. Das also hatte Maureen gemeint. Wie romantisch.
»Und dann war alles vorbei und er musste den Hof verkaufen. Das ging dann ganz schnell.«
Abends kam Jennifer auf den Hof und begann ihr Pferd zu putzen. Tim hatte den Braunen, den Jennifer Cäsar nannte, draußen angebunden, damit es einfacher war. Nina kam aus dem Haus und blieb verdutzt stehen, als sie Jennifer sah. Auch Jennifer starrte sie einen Moment sprachlos an. Dann fragte sie: »Bist du etwa Nina?«
Nina nickte.
»Sag mal, wo hast du denn die ganze Zeit gesteckt?«
Es war Claires Idee. Sie wollte ein großes Fest geben, um Ninas Rückkehr zu feiern und gleichzeitig die Nachbarn über das neue Hotel zu informieren. Ein bisschen Werbung konnte nicht schaden.
Tim gab ihr eine Liste mit Namen, Bekannte von ihm und Nina, den einen oder anderen Geschäftspartner, Freunde und Nachbarn. Schließlich kamen sie auf über dreißig Leute. Sie war gespannt, die meisten kannte sie noch nicht.
Eigentlich wollte sie für das Essen einen Partyservice bestellen. Aber Nina war dagegen. Sie wollte unbedingt selbst kochen und schlug einen deftigen irischen Eintopf vor.
»Es wird langsam immer kälter, da tut ein Eintopf Wunder«, sagte sie altklug und erinnerte Claire ein wenig an ihre Großmutter.
Das Wetter sollte trocken bleiben. Dennoch hatte Tim vorgeschlagen, auf dem Hof große Zelte aufzuschlagen. Ein Freund würde ihm die Zelte leihen.
Am Vorabend kam Alex und half beim Aufbau, während Nina die Küche mit Beschlag belegte. Sie rührte in riesigen Töpfen, schnippelte stundenlang Gemüse und plapperte ununterbrochen, während Tim ihr zuhörte, in Ruhe seinen Tee trank und hin und wieder nickte.
Durch Nina hatte sich die Atmosphäre des Hauses unmerklich geändert. Es war so, als sei ein Summen ständiger Hintergrund. Sie stand früh auf, machte Kaffee und Tee, räumte auf und war überall gleichzeitig. In der Küche lief ein uraltes Radio, das Nina auf einem Trödelmarkt gefunden hatte und das irische Folkloremusik spielte.
Wenn sie im Haus war, hörte man ihre leisen Schritte, die nicht störten, sondern einfach nur von ihrer Anwesenheit zeugten.
Nina trug immer noch ihre verblichenen Jeans und alte Pullis von Tim. Und wenn sie ritt, schnallte sie sich ein Chaps um, eine Art Stiefelersatz aus Rauleder mit Schuhabdeckung, und schwang sich so auf den Pferderücken.
Sie war in vielem immer noch wie ein Kind. Wenn sie hungrig war, schmierte sie sich ein Brot und rannte damit wieder hinaus. Sie war immer in Tims Nähe und hegte eine fast schon lächerliche Bewunderung für Claires Umgang mit Samira. Sie wollte unbedingt Viktors Buch lesen und Claire bestellte es schließlich in einer deutschen Buchhandlung. Seit Nina wieder da war, lebte das Gesindehaus irgendwie auf. Woran sie das erkannte, hätte sie nicht sagen
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