Das irische Erbe
konnte sie ihren Wagen nicht aus der Parklücke setzen, weil jemand sie zugeparkt hatte. Wütend sah sie sich um. Es blieb ihr schließlich nichts anderes übrig, als zu warten. Sie setzte sich in ihren Wagen und begann allmählich zu frieren. Der Sommer war endgültig vorbei.
Es dauerte fast eine Stunde, bis der Fahrer erschien. Sie stieg aus und fragte ihn zornig, was ihm einfiel. Aber der Mann, der sie mit Anzug und Krawatte ein wenig an Conrad Pessoa erinnerte, zuckte nur gelangweilt mit den Schultern und stieg in seinen Wagen. Genervt eilte sie schließlich nach Hause.
Der Bus und auch Bens Wagen waren verschwunden. Sie ging zum Steinhaus, um zu sehen, was geschafft worden war. Immer noch verstimmt stieg sie hoch in den ersten Stock, blieb aber an der Brüstung stehen und sah hinunter. Das Foyer war größer, als sie sich vorgestellt hatte. Und bot Platz für zwei bequeme Sitzgruppen mit jeweils acht Sesseln. Chesterfieldsessel sollten es sein mit identisch hohen Arm und Rückenlehnen, in denen man gemütlich kuscheln konnte. Für Gäste, die auf jemanden warteten. Oder Menschen, die nicht auf ihrem Zimmer bleiben mochten.
In einem der Hotels der Kette hatte sie einen Hoteldirektor getroffen, der erzählte, er habe einen regelmäßig kommenden Gast, der offensichtlich eine Phobie vor geschlossenen Türen habe. Er lasse seine Zimmertür immer einen Spaltbreit offen und sitze schon morgens vor sechs im Foyer. Er hielt sich in seinem Zimmer so wenig wie möglich auf. Es waren manchmal schon seltsame Gäste in Hotels anzutreffen.
»So nachdenklich?«
Sie fuhr herum. Ben stand vor ihr. Sie hatte ihn nicht kommen hören.
»Habe ich Sie erschreckt?«, fragte er.
»Nein, nein«, wehrte sie ab. »Aber ich habe Sie nicht gehört.
Und draußen steht auch kein Wagen«, fiel ihr ein.
»Ich werde gleich abgeholt«, erklärte er. »Mein Wagen ist in der Werkstatt.«
Marisa. Ob das die Person war, die ihn abholen würde?
»Rory müsste jeden Moment kommen.«
Rory.
»Und wie gefällt es Ihnen von hier oben?«, fragte er.
»Es ist wunderschön, viel schöner, als ich dachte. Ich richte das Foyer in Gedanken schon ein. Ich kann jetzt endlich meine eigenen Vorstellungen verwirklichen und muss nicht tun, was eine seelenlose Direktion mir vorgibt.«
Die letzten Worte hörten sich patzig an und sie musste lachen.
»Konnten Sie das vorher nicht?«, fragte er ruhig.
»Nein. Ich habe in der Verwaltung einer Hotelkette gearbeitet. Unter meinem neuen Chef hatte ich eigentlich nur noch mit Zahlen, aber nicht mehr mit Menschen zu tun. Das war einfach nicht mehr die Arbeit, die ich machen wollte.«
Am nächsten Tag musste Ben Hastings für drei Tage fort. Er rief abends an und sagte, er müsse seine Kirche begutachten, die nun fertig sei.
»Ich habe aber meinen Leuten genaue Anweisungen gegeben. Außerdem sind die beiden Kranken ab morgen wieder im Einsatz. Dann geht es zügig weiter.«
Sie wusste nicht, warum sie enttäuscht war, und ärgerte sich über sich selbst.
»Ich rufe aber an. Machen Sie sich also keine Gedanken.«
Als sie auflegte, rief sie sich zur Ordnung und begann dann, das Haus zu putzen.
Hastings rief tatsächlich jeden Tag an. Am ersten Tag war sie in der Stadt und erfuhr von seinem Anruf erst nach ihrer Rückkehr. Tim hatte mit ihm gesprochen.
»Und was hat er gesagt?«, fragte sie so unbeteiligt wie möglich.
»Ach, nichts weiter. Er wollte wissen, ob du da bist, und als ich sagte, du seiest in der Stadt, haben wir noch etwas über die Pferde gesprochen.«
Am darauffolgenden Tag war sie im Steinhaus, als eines der Telefone ging. Der dicke Arbeiter sprach mit Hastings, hörte zu und sah dann zu ihr hin. Er reichte ihr das Handy und sie hatte schlagartig einen trockenen Mund. Vom Staub, sagte sie sich.
»Claire?«, seine Stimme war dunkel, sie schluckte einmal.
»Ja, hallo Ben. Was macht Ihre Kirche?«
»Alles bestens«, sagte er. »Die Abnahme war erfolgreich, jetzt sind noch Kleinigkeiten zu erledigen, aber das geht ziemlich schnell.«
»Wunderbar«, sagte sie.
»Und sonst ist alles okay?«, fragte er und einen winzigen Moment war es, als gehörten sie zusammen. Es war ein völlig neues, beglückendes Gefühl für sie. So hatte sie sich bei Viktor nie gefühlt.
»Ja, alles bestens«, sagte sie rau.
»Ich komme morgen wieder, dann sehen wir uns sicher.«
Es war keine Frage gewesen, dennoch sagte sie: »Ja, ich bin da.«
Die Arbeiter erschienen wie üblich ziemlich früh. Ben kam eine
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