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Das irische Erbe

Das irische Erbe

Titel: Das irische Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Clemens
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sie dir nicht abschießt.«
    Abschießt? Sie drückte ganz leicht mit den Unterschenkeln, erwartete fast, die Stute würde losrennen. Aber stattdessen trabte sie nur ruhig an. Überraschenderweise fand sie sofort den richtigen Rhythmus und konnte plötzlich leichttraben.
    »Super«, rief Tim. »Und wie lässt sie sich sitzen?«
    »Sie ist ganz weich, nicht so hart wie Esquire«, rief sie begeistert.
    »Ja, das sehe ich. Sie hat viel Schwung. Denk an lange Beine und ruhige Hände«, wies Tim sie wieder an.
    Es war bei der Stute einfacher, die Hände ruhig zu halten, und auch ihre Beine schlackerten nicht so.
    »Das machst du fein«, murmelte sie und das Tier legte spielerisch ein Ohr zurück, als lausche es auf ihre Stimme.
    Nach einigen Runden sagte Tim, sie solle wieder zurück in Schritt gehen, aber nicht am Zügel ziehen. Sie versuchte sich zu konzentrieren und setzte sich hin und die Stute fiel sofort in Schritt.
    »Das war toll«, sagte Tim und sie sagte: »Aber ich habe gar nichts gemacht.«
    »Um so besser. Halt mal an.«
    Sie nahm vorsichtig die Zügel auf und das Tier blieb sofort stehen. Tim kam näher, dabei die Longe aufrollend, und sagte: »Schnall Sie mal ab.«
    Sie beugte sich vor und griff an den Haken und die Stute schnappte spielerisch nach ihren Fingern.
    »So, jetzt auf den Hufschlag.«
    Willig ließ das Tier sich steuern. Ohne auf Tims Kommando zu warten, trabte sie an. Die Stute wurde etwas schneller, aber es gelang ihr, sie zu beruhigen. Schließlich hatte sie zum ersten Mal das Gefühl, das Tier einigermaßen unter Kontrolle zu haben. Sie wechselte die Hand und hörte das Gebiss klappern. Fragend sah sie Tim an.
    »Was ist das?«
    Tim grinste. »Sie kaut auf dem Gebiss. Das ist ein gutes Zeichen. Sie wird lockerer und fühlt sich wohl. Und ich muss sagen, du hast eine wirklich gute Hand.«
    Sie verstand nicht ganz, was er damit meinte, war aber wahnsinnig stolz und hätte immer weiter traben können. Die Stute fühlte sich butterweich an.
    »Was konnten denn ihre Eltern. Springen oder eher Dressur?«, fragte sie.
    »Ihr Vater war ein bekanntes Springpferd, von der Mutter weiß ich ehrlich gesagt nicht allzu viel.«
    Wo war eigentlich Nina?
    »Wo ist Nina?«, fragte sie.
    »Etwas besorgen«, sagte Tim kurz.
    Nach zwanzig Minuten machte sie Schluss und stieg ab. Sie versorgte das Tier, ging mit einem Schwamm über die Sattellage und brachte sie in die Box. Dort rieb sie sie mit Stroh, bis sie trocken war.

    Am nächsten Tag kam Ben, um mit ihr die letzten Arbeiten zu besprechen. Zusammen gingen sie durch das Haus. Bis auf einige Kleinigkeiten war alles fertig. Oben waren acht Gästezimmer und zwei Hauswirtschaftsräume entstanden. Die Zimmer waren immer noch groß genug, um außer Bett und Nachtisch auch eine gemütliche Sitzecke gestalten zu können.
    Das Foyer sollte zugleich auch Aufenthaltsraum sein. Eine Bar gab es dagegen nicht. Sie und Tim hatten überlegt, wie lange die Rezeption besetzt sein sollte und sich schließlich auf dreiundzwanzig Uhr geeinigt. Dreimal im Jahr würde das Hotel für eine Woche geschlossen haben. Der Montag sollte Ruhetag werden, an dem nur ein Frühstücksbüfett angeboten wurde.
    »Und? Bist du zufrieden?«, fragte Ben.
    »Ja«, sie nickte. »Es ist perfekt.«
    »Tim erzählte mir, eure Eltern leben in Kanada. Was sagen sie denn zu eurem Hotel? Sie müssen doch stolz sein.«
    »Sie wissen es noch gar nicht«, sagte sie leichthin. »Und ob sie stolz wären, weiß ich nicht. Ich habe sie seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen.«
    Eine kurze Stille breitete sich zwischen ihnen aus. Ben blickte auf seine Schuhe und sagte dann langsam: »Als ich dich damals mit McConell im Restaurant sah, hatte ich keine gute Meinung von dir. Ich dachte, du bist berechnend und kalt. Ich habe den Auftrag zuerst nur angenommen, um zu sehen, was du hier eigentlich tun willst.«
    Also hatte Tim damals richtig gehört.
    »Aber ich habe mich getäuscht«, sagte er. »Du bist ganz anders.«
    Er zog etwas aus ihrem Haar, einen Strohhalm, und sagte: »Damals hätte ich mir nicht vorstellen können, dich einmal so zu sehen. In Jeans, Turnschuhen und mit Strohschnipseln im Haar. Wie kann man sich nur so irren? Und ich hielt mich für einen guten Menschenkenner.«
    Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, hätte aber auch nichts sagen können, denn ihr Mund war ganz trocken.
    »Ich würde dich jetzt gerne küssen, aber ich wette, dann taucht plötzlich Nina auf oder Tim«, sagte er leise. »Darf ich

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