Das irische Erbe
nacharbeiten musste, hatte sie alles geschafft. Zufrieden wusch sie sich die Hände.
Am nächsten Tag erschien Jennifer auf dem Hof. Sie hatte drei Tage bis spät in die Nacht arbeiten müssen und keine Zeit gefunden zu kommen. Als sie von dem Brand erfuhr, war sie entsetzt. Sie fragte Nina aus, und Nina, die Jennifer gegenüber immer noch ein wenig erbost war, erzählte ihr schließlich haarklein, wie es gewesen war.
»Jetzt bekommen wir eine neue Scheune«, sagte sie nun und fragte dann, wann sie denn gedenke, sich um ihr Pferd zu kümmern. Sie hätte ihn doch selbst ausmisten wollen.
Claire hielt sich in der Nähe auf und lauschte amüsiert.
Nina begann zu dozieren und erklärte, der Mist sei schädlich für die Hufe, er müsse täglich entfernt werden. In der Regel würde man morgens gründlich ausmisten und die Einstreu in Ordnung bringen. Dann hielt sie ihr vor, das Pferd nicht bewegt zu haben.
»Du kannst ein Pferd nicht tagelang stehen lassen, dann wird es krank. Es braucht seine Bewegung«, sagte sie nachdrücklich. Sofort machte Jennifer ein schuldbewusstes Gesicht und sagte: »Das wusste ich nicht. Und ich kann auch nicht reiten. Kannst du mir nicht ein, zwei Stunden geben?«
Nina warf den Kopf in den Nacken und sagte so hochnäsig, wie Claire sie noch nie erlebt hatte: »Also erst einmal, mit ein oder zwei Stunden lernst du noch lange nicht reiten. Dazu gehört schon etwas mehr.«
Jennifer unterbrach sie und fragte: »Wie viele Stunden hast du denn bekommen?«
Und Nina, die nie Unterricht bekommen hatte, sondern sich alles abguckte, sagte, sie sei jahrelang intensiv geschult worden und immer noch nicht fertig.
»Aber ich gebe dir gerne mal eine Stunde, dann können wir weitersehen«, stimmte sie schließlich großzügig zu.
Claire war sich sicher, dass sie noch viel Spaß mit den beiden bekommen würden.
Die Tagebuchaufzeichnungen hörten 1968 auf. Maureen schrieb zuerst seitenlang über die Mode der Zeit, ihren Minirock und lange Stiefel, die sie unbedingt brauche. Gegen die Winterkälte wolle sie sich einen langen Wintermantel kaufen. »Frederik will mir Geld dafür geben. Ich schäme mich, es anzunehmen, aber er besteht darauf.«
Dann beklagte sie sich über Patrick. »Ich kann ihn nicht mehr ertragen. Er nimmt mir mein Leben.«
Auf den darauffolgenden Seiten änderte sich ihr Ton. Sie klang härter, entschlossener. Sie müsse eine Entscheidung treffen und das werde sie auch. Sie habe auch nur dieses eine Leben. Sie berichtete dann unvermittelt von einem neuen Fotomodell. »Sie nennt sich Twiggy und ist dünn wie eine Bohnenstange. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Mann an ihr Gefallen finden könnte. Sie hat noch nicht einmal einen Busen. Ganz unmöglich. Frederik sagte mir, er liebe meine Figur und die Rundungen, die an den richtigen Stellen seien und die eine begehrenswerte Frau schließlich ausmachen.«
Die Handschrift der Briefe hatte sich im Laufe der Zeit verändert. Anfangs unsicher und ungleichmäßig, war sie doch irgendwann flüssiger geworden mit schönen lang gezogenen Bogen und kecken I-Punkten.
Maureen machte eine Pause und schrieb erst Wochen später wieder. Es gebe einen Ausweg aus ihrer Lage und auch der Tod sei eine Möglichkeit. »Ich liebe das Meer, das mich immer beruhigt, wenn ich es sehe. Ich möchte unbedingt die Inseln kennenlernen. Ich habe angefangen zu malen, meistens Blumen.«
Dann beschrieb sie ihre Lieblingsblumen und erwähnte wieder Frederik. Das Leben ohne ihn sei nicht mehr lebenswert. Wenn er nicht da sei, wünsche sie, auf der Insel zu sein, nur um ihm nahe zu sein.
Damit endete das Tagebuch. Claire blätterte weiter, aber Maureen hatte nichts mehr geschrieben.
19
D ie Stute war nach wie vor schreckhaft, sobald jemand zu ihr wollte. Nur Claire ließ sie an sich heran. Mittlerweile putzte sie sie jeden Tag, was das Tier sich auch gerne gefallen ließ. Sie erkannte sie nun schon an ihrem Schritt, denn sobald Claire in den Stall kam, begann sie zu scharren. Wenn Claire dann an der Boxentür erschien, ließ sie sich anstandslos das Stallhalfter anziehen und folgte ihr willig auf den Hof, wo sie sich an einem in der Wand eingelassenen Ring festbinden ließ. Sie konnte auch ihre Hufe reinigen und hatte bereits begonnen, die Mähne zu frisieren.
Auch jetzt blieb die Stute seelenruhig stehen und schien das Putzen zu genießen. Mit langen gleichmäßigen Strichen ging Claire über das Fell, das allmählich glänzte. Tim tauchte auf, schlenderte zu
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