Das irische Erbe
dabei zu helfen.
Nina hatte sich sofort nach ihrer Rückkehr auf die Pferde gestürzt und ritt jeden Tag. Sie vertraute Claire an, dass sie die Pferde noch am meisten vermisst hätte, wurde dann aber rot und sagte, nach Tim. Wenn sie nicht ritt, kümmerte sie sich um das Fohlen, das sie täglich putzte, und um Cora, die sehr an Nina zu hängen schien.
Abends saßen sie zusammen im Wohnzimmer, tranken Tee und sahen fern. Claire kümmerte sich nun um die gesamte Büroarbeit und benutzte das Arbeitszimmer, das Tim ihr gerne überließ.
Der Aufbau der Scheune ging zügig voran. Tim und Ben hatten bei Mulready einen Scheck abgeholt, der alle Schäden abdeckte. Er würde sie nicht mehr stören.
Alex erzählte ihr, er sei früher ganz anders gewesen, habe aber die Trennung von seiner Frau nie überwinden können. Unvermittelt musste sie an Maureen denken, die ihn und seine Frau gekannt hatte. Seine Frau wollte ihn damals verlassen, wie sie Maureen eingestand. Und sie war auch tatsächlich gegangen. Und Maureen? Was war aus ihr geworden?
Die Sache ließ ihr irgendwie keine Ruhe. Vielleicht gab es noch irgendwo Hinweise, wie es weitergegangen, was aus Maureen und Frederik geworden war. Vielleicht hatte sie ein anderes Tagebuch begonnen. Sie ging noch einmal in den Keller und suchte systematisch alles durch. Sie fand alte Kleidungsstücke, verstaubte Bücher, leere Flaschen und Bilder mit filigranen Blumenzeichnungen.
Stimmt ja, sie hatte angefangen zu malen. Die Zeichnungen waren sauber ausgeführt mit viel Liebe zum Detail. Ob sie einen künstlerischen Wert hatten, konnte sie nicht beurteilen. Von einem weiteren Tagebuch fehlte jede Spur.
Sie ging wieder hoch, unzufrieden, weil sie nichts gefunden hatte, und verstand das Gefühl nicht, das an ihr nagte, so als habe sie etwas vergessen.
Ein Wagen fuhr auf den Hof. Tim. Neben ihm Nina. Dann war sie doch nicht mit Scabri ausgeritten. Claire ging ihnen entgegen. Nina stieg aus und strahlte sie an und Claire registrierte verblüfft, dass Nina ein Kleid trug. Ein helles schlichtes Kleid, das zeigte, wie schlank sie war. Und neue helle Schuhe. Und Tim hatte sich in einen Anzug gezwängt.
»Wo wart ihr?«, fragte sie.
»Wir haben geheiratet«, platzte Nina heraus.
»Ihr habt geheiratet?«, wiederholte sie verdutzt.
»Ja, und stell dir vor, es war alleine Tims Idee. Ich habe gar nichts gesagt«, sprudelte sie hervor.
Tim legte den Arm um seine Frau.
»Ja, du kannst uns gratulieren.«
Claire umarmte Nina und ihren Bruder und sagte: »Ich freue mich für euch!«
»Claire«, Tim sah sie bittend an. »Ich hoffe, du bist nicht böse, weil wir geheiratet haben, ohne dir etwas zu sagen. Aber ich wollte einmal etwas ganz alleine hinbekommen.«
Sie lachte.
»Das hast du wunderbar hinbekommen«, sagte sie. »Aber wir werden natürlich feiern.«
Nina klatschte in die Hände.
»Dein Kleid gefällt mir«, sagte Claire versonnen. »Ich wusste nicht, dass du überhaupt Kleider hast.«
»Sie hat es vorgestern erst gekauft«, sagte Tim. »Und die Schuhe ebenfalls. Sie wollte unter keinen Umständen in einer Jeans heiraten.«
Am nächsten Tag fuhr Claire in die Stadt. Sie hatte ihre Lederreitstiefel zwei Tage hintereinander getragen und musste danach das Handtuch werfen, weil sie Blasen an den Fußsohlen hatte. Tim sagte, sie habe auch einfach übertrieben. Lederstiefel müsse man in Ruhe eintragen. Aber Nina sagte ihr, sie solle sich doch ein Chaps holen. Das wäre am bequemsten.
Sie war etwas in Eile, Ben wollte noch das Hotelschild vorbeibringen, das einer seiner Freunde geschmiedet hatte. Es war sein Geschenk zur Eröffnung. Abends wollten sie zusammen essen gehen. Sie kaufte das Chaps, schnallte es sich noch im Laden um und musste grinsen. Tim würde staunen. Dann fuhr sie zurück, geriet aber in einen Stau und musste fast zehn Minuten warten. Als es endlich weiterging, fuhr sie viel zu schnell und geriet einmal auf die falsche Seite. Die Lichthupe des entgegenkommenden Autos warnte sie und sie zwang sich zur Ruhe.
Wieder am Hof angekommen, wunderte sie sich über die Wagen, die vor dem Haus standen. Unter anderem ein uralter Käfer.
Schon wieder Fremdparker. Obwohl sie sich vorgenommen hatten, abends das Tor zu schließen, vergaßen sie es meistens. Vielleicht konnten sie es elektrisieren und eine Zeitschaltuhr anschließen.
Aber noch etwas anderes störte sie, sie wusste nur nicht, was. Rasch ging sie in den Stall und nach hinten durch zur Stute. Sie gab ihr etwas von
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