Das ist nicht wahr, oder?
Minute und Mittagspause mit einem Buch auf der Toilette eingeschlossen. Es war total bescheuert.
Ende.
UPDATE:
Meine Lektorin findet dieses Kapitel furchtbar und das mit der Scheune kann sie sich »überhaupt nicht vorstellen«. Was nicht meine Schuld ist. So war das eben auf dem Land. In der Scheune lernte man, wie man den Baumwollkapselkäfer vernichtet. Ich wollte, das wäre ein Witz, ist es aber absolut nicht. Wir hatten auch Unterricht in Schweißen, Viehhaltung,Anbau und Begutachtung von Baumwolle und noch einem anderen Fach, an dessen Namen ich mich nicht erinnere. Jedenfalls lernten wir dort, wie man Stühle und Zäune baut. Mit ziemlicher Sicherheit hieß es »Stühle und Zäune«. Nichts davon ist erfunden.
NOCH EIN UPDATE:
Meine Lektorin findet das Kapitel immer noch furchtbar und sagt, ich müsste es noch mehr ausarbeiten. Mit »ausarbeiten« meint sie vermutlich einige peinliche Erinnerungen ausgraben, die ich mit großem Zeitaufwand unterdrückt habe.
Bitte sehr.
Mein Landwirtschaftslehrer hat uns erzählt, vor vielen Jahren wäre einmal ein Schüler beim Aufhängen eines Transparents zum Baumwolle-Wettbewerb von der Leiter gefallen und auf einem Besenstiel gelandet, der an der Scheune lehnte und sich ihm direkt in den Darm gebohrt hätte. Das Bild muss sich meinem Lehrer wirklich eingeprägt haben, denn er schärfte uns ständig ein, unbedingt nach herrenlosen Besen Ausschau zu halten, bevor wir auf eine Leiter stiegen. Ich kann bis heute keine Leiter sehen, ohne mich zu vergewissern, dass keine Besen in der Nähe sind. Das ist so etwa das einzig Nützliche, das ich je in der Highschool gelernt habe. Ach ja, und ich habe aus erster Hand gelernt, wie man eine Kuh mithilfe einer Bratenspritze künstlich befruchtet (was aber weniger nützlich als traumatisch war, sowohl für die Kuh wie für mich). Wir hatten statt in Geografie also in so was Unterricht. Deshalb kriege ich beim Trivial-Pursuit-Spielen auch nie die blaue Ecke.
NOCH EIN UPDATE:
Meine Lektorin hasst mich und hat sich offenbar mit meiner Therapeutin abgesprochen, denn beide wollen unbedingt, dass ich mich ausführlicher mit meiner Schulzeit befasse.
Bitte sehr.
Das folgende Kapitel ist ihre Schuld. Seid euch bitte darüber im Klaren, dass beim Lesen wahrscheinlich grässlicheMomente aus eurer eigenen Schulzeit hochkommen werden. Die Rechnungen für die Therapie könnt ihr an meine Lektorin weiterleiten.
Also noch mal von vorn …
So gut wie jeder hasst die Highschool. Sie ist wahrscheinlich ein Gradmesser der eigenen Menschlichkeit. Wem es dort gefallen hat, der war vermutlich Psychopath oder Cheerleader. Oder womöglich beides. Denn das eine schließt das andere nicht aus. Ich war immer bemüht, die Erinnerung an meine Highschool-Zeit zu verdrängen, aber man kann sich noch so sehr anstrengen, sie begleitet einen trotzdem wie ein unerwünschter Tramper. Oder Herpes.
Denke ich mal.
Da ich mit denselben Kindern zur Highschool ging, die auch meine eigentümliche Kindheit miterlebt hatten, hatte ich die Hoffnung, eine beliebte Schülerin zu werden, bereits aufgegeben. Stattdessen wollte ich mich mit Gothic-Outfit und schwarzem Lippenstift neu erfinden, einem Look, der ausdrücken sollte: »Kommt mir lieber nicht zu nahe.
Ich habe dunkle, schreckliche Geheimnisse.«
1990: Genauso albern, nur dass ich die Kleider diesmal selbst ausgewählt habe. (Profitipp: Selbstporträts als pseudoviktorianischer Emo auf Friedhöfen wirken etwas weniger gestellt, wenn man vorher die Swatch Uhr abnimmt.)
Leider stieß die geheimnisvolle Person, die ich sein wollte, auf ratlose (und ein wenig mitleidige) Skepsis, weil die Kinder aus meiner Klasse meine dunklen, schrecklichen Geheimnisse schon sehr gut kannten. Was bei Geheimnissen eigentlich nicht sein darf. Die Kinder hatten das
Große Truthahnscheißen von 1983
miterlebt und erinnerten sich noch lebhaft daran, wie mein Vater mich mit Kriegsbemalung und blutigen Büffelhäuten zum Thanksgiving-Spiel der vierten Klasse geschickt hatte statt mit den herkömmlichen Pilgerhüten aus Bastelpappe, die der Restder Klasse im Kunstunterricht angefertigt hatte. Die Jahrbücher derselben Mitschülerinnen dokumentierten die ein Jahrzehnt anhaltende Begeisterung meiner Mutter für Rüschenkleider und Sonnenhäubchen, eine Manie, die dazu führte, dass meine Schwester und ich Anfang der Achtzigerjahre oft aussahen wie die unehelichen Kinder einer lesbischen Beziehung von Laura Ingalls und Holly Hobbie. Marilyn Manson
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