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Das ist nicht wahr, oder?

Das ist nicht wahr, oder?

Titel: Das ist nicht wahr, oder? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Lawson
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wäre vermutlich auch nicht als »düster und unheilvoll« ernst genommen worden, wenn die ganze Welt ihn als Zweitklässler in Mädchenkleidern gesehen hätte.
    1980: Ein Look, der förmlich schrie: »Wir werden die Ehefrauen eines polygamen Mormonen ...«
    Meine Mitschülerinnen jedenfalls weigerten sich, mich ernst zu nehmen, ich beschloss deshalb, mir mit einem Angelhaken selbst die Nase zu piercen. Allerdings bekam ich den Haken nicht ganz durch, weil es zu wehtat, also gab ich auf und dann entzündete sich die Stelle. Stattdessen trug ich einen Ohrclip. In der Nase. Zur Schule. Er war größer als mein Nasenloch und ich bekam kaum noch Luft. Trotzdem, es war der erste Nasenring, der an meiner Schule je getragen wurde, und ich trug ihn mit einem rebellischen Stolz, während ich am Rektor vorbeiging. Ich erwartete, dass er sich sofort in seinem Büro verschanzen würde, um die TWISTED-SISTER-mäßigen Krawalle niederzuschlagen, die aufgrund der durch meinen Nasenring ausgelösten anarchischen Zustände jederzeit losbrechen konnten. Der Rektor bemerkte den Ring, wirkte aber mehr verwirrt als betroffen und schien mit dem Lachen zu kämpfen, als er ihn der Kantinenhilfe zeigte, die wiederum ziemlich erstaunt war.
    Und zufällig auch meine Mutter.
    Und
die Besitzerin des Ohrclips.
    Sie seufzte innerlich, schüttelte den Kopf und schnitt weiter Götterspeise in Vierecke. Keiner von uns sprach später über den Vorfall (oder trug den Ohrring noch einmal).Dass meine Mom in der Kantine arbeitete, war ein gemischter Segen. Ich durfte mich in der Schulküche verstecken, wenn ich einen schlechten Tag hatte, andererseits hörte ich sie, immer wenn ich an der Kantine vorbeikam, laut und deutlich flüstern: »Geh nicht so krumm, Schatz, das wirkt so deprimiert.« Die anderen Kinder redeten dann sofort drauflos: »Schönes Haarnetz, das Sie da tragen.«
    Deshalb, ja, die Schule
war
ein ziemlicher Horror. Ich höre von vielen Leuten,
alle
hätten doch in ihrer Schulzeit Schlimmes erlebt, und pflege dann zu sagen:
»Wirklich?
War bei euch auch der Höhepunkt des letzten Schuljahres, den Arm in die Vagina einer Kuh zu stecken?« Daraufhin brechen sie das Gespräch mit mir ab, meist für immer.
    Meine Schwester schien dagegen nie Anpassungsprobleme zu haben. Sie distanzierte sich von mir, so gut sie konnte, wollte mich gleichzeitig aber trotzdem überreden, wie die anderen an einigen Schulaktivitäten teilzunehmen. Sie selber machte Leichtathletik, Basketball und Theater (Einakter) und war kürzlich zum Schulmaskottchen gewählt worden, einem riesigen Vogelmännchen namens Wally. Wir waren alle mächtig stolz auf sie, denn die Konkurrenz war hart gewesen, und sie nahm ihre neue Aufgabe auch sehr ernst und übte voll kostümiert im Wohnzimmer Vogel-Angriffsmanöver. Während wir darauf warteten, dass unsere Eltern von der Arbeit nach Hause kamen, sah ich ihr zu und beriet sie in technischen Fragen. »Versuch mal das Arschgefieder mehr zu schütteln«, sagte ich.
    »Schwanzfedern heißt das«, erklärte sie (überraschend herablassend für jemanden mit Vogelfüßen). Ihre Stimme wurde durch den Riesenvogelkopf auf ihren Schultern gedämpft.
»Schwanzfedern
, okay? Und wenn wir uns schon gegenseitig Ratschläge erteilen, warum trägst du eigentlich immer Schwarz? Die Leute finden das krank.«
    »Die finden
mich
krank, weil ich oft Schwarz trage?«, fragte ich.
»Du
bist wie ein Vogel angezogen.«
    Lisa zuckte gleichgültig die Schultern. »Schon, aber mich hat man dazu ausgewählt, dass ich mich wie ein Vogel anziehe, und wenn ich morgen in meinem Kostüm in die Schule komme, sind die Leute begeistert und klatschen mich ab. Wenn du kommst, spucken sie aus und schauen weg, damit du sie nicht verfluchst wie ein Voodoo-Priester.«
    »Also erstens kannst du gar nicht richtig abgeklatscht werden, weil du keine Hände hast. Und zweitens bräuchte ich für einen Voodoo-Fluch Haare oder abgeschnittene Fingernägel der betreffenden Person.«
    »ABER GENAU DAS MEINE ICH DOCH«, rief Lisa wütend, unterbrach ihr Vogelübungsprogramm und verschränkte die Flügel. »Woher weißt du überhaupt, was man dafür braucht?
Das ist doch voll daneben.
KANNST DU NICHT AUSNAHMSWEISE EINMAL GANZ NORMAL SEIN?«
    »Oh, tut mir leid … Kannst du den letzten Satz wiederholen?«, fragte ich. »Ich verstehe dich so schlecht durch diesen BESCHEUERTEN VOGELKOPF.«
    Lisa setzte beleidigt den Vogelkopf ab und wollte offenbar zu einem längeren Vortrag ausholen, aber

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