Das ist nicht wahr, oder?
kann, weil man wenigstens geil aussieht, während man sich zu Tode hungert. Nur dass die Haare Scheiße aussehen, weil sie in Büscheln ausfallen, und dass man nachts wach liegt, weil man ständig daran denken muss, wie die Hüftknochen zu weit vorstehen und ob es wohl wehtut, wenn man sie mit einer Käsereibe abhobelt. Moment, habe ich gesagt
»gute Entscheidungen«?
Also noch mal von vorn.
In der Woche nach meinem einundzwanzigsten Geburtstag war mir langweilig. Ich war nüchtern und hatte gefährliches Untergewicht der Art, wo andere denken, man wäre heroinsüchtig oder schwer krebskrank. Um neun Uhr abends beschloss ich, dass ich noch raus musste, ich zog also einen Mantel an und fuhr zu dem einzigen Buchgeschäft, das in der nächsten Stadt so spät noch offen hatte. Als Kind hatte ich liebend gern Horror-Romane gelesen und mich als Folge davon auch kurze Zeit für Magie interessiert. (Allerdings nur so lange, bis ich merkte, dasskein einziges meiner Zaubermittel funktionierte. Wenn man »eine weiße Kerze über frisch zerstoßenen Samen schwenken« sollte, schwenkte ich schulterzuckend die Taschenlampe meines Vaters über einem Glas Erdnussbutter. Ich kam dann zu dem Schluss, dass Magie völliger Humbug war, aber fairerweise sei gesagt, dass das vielleicht weniger mit der Wirksamkeit von Zaubern zusammenhing als damit, dass ich eine wirklich lausige Köchin war. Und dass bei meiner Erdnussbutter die Marmelade schon eingearbeitet war, was zwar echt Zeit spart, der Vorstellung der Druiden aber wahrscheinlich eher weniger entspricht.)
Ich ging nach hinten in die Esoterikabteilung und war ausnahmsweise einmal nicht allein, sondern in Gesellschaft eines ungefähr gleichaltrigen Typen, der mich ununterbrochen anstarrte. Und der fast genauso wie Doogie Howser, M. D. aussah.
(Anmerkung für nach 1990 geborene Leser: (1) Ich hasse euch irgendwie. Hört bitte sofort auf, in Shorts so gut auszusehen. (2) Doogie Howser, M. D. war eine der ersten Fernsehserien mit Neil Patrick Harris. Das war noch bevor er so heiß aussah. Damals hat sich niemand in ihn verknallt. Dann outete er sich als schwul und prompt war er total angesagt und alle Frauen der Welt wollten mit ihm schlafen. So funktionieren Frauen eben. Wir können uns das selber nicht erklären.)
Der (wahrscheinlich unabsichtliche) Doogie-Howser-Imitator trug eine Jeansweste, er war also ziemlich sicher schwul, andererseits waren das die Neunzigerjahre und alles war möglich. Er hörte nicht auf, mich anzustarren, und jedes Mal, wenn ich ein Buch herauszog, sagte er ganz beiläufig: »Ach, das habe ich.« Er nervte total und ich wünschte mir, es würde in dieser Abteilung ein Buch über Tampons geben, nur damit er mit seiner Leier aufhören musste, aber ich stand im Buchladen einer Kleinstadt, und selbst wenn es ein Buch über Tampons und Hexerei gab, hatten sie es wahrscheinlich nicht vorrätig. Dannlächelte Doogie, zog ein Buch über Astrologie heraus und fragte mich nach meinem Sternzeichen. Er bestreitet das heute zwar entschieden, aber genau so war es. Ich dachte die ganze Zeit: »Wahrscheinlich ist das ein Stalker.« Und er dachte: »Ich will diese Frau heiraten.« Vor allem weil er geträumt hatte, er werde eine Frau in einem bestimmten Mantel heiraten, und dann kam ich in den Buchladen hereinspaziert und trug genau denselben Mantel wie die Frau aus seinem Traum. (Ich sollte erwähnen, dass ich diesen Mantel hatte, seit ich fünfzehn war. Meine Mom ließ sich damals im Krankenhaus einen Bruch operieren, war total zugedröhnt und sagte die ganze Zeit: »Jenny braucht einen neuen Mantel«, und mein Vater hätte merken müssen, dass sie wegen der Medikamente delirierte, denn wir kauften nie neue Mäntel, aber er ging mit mir raus und kaufte mir den Mantel und ich sagte: »Ach, und einen neuen Hut brauche ich auch.« Und als wir ins Krankenhaus zurückehrten, stand meine Mom immer noch unter Morphin und sagte: »Hey, schöner Hut!« Zwei Tage später war sie dann ausgenüchtert und schimpfte: »Wie bitte? Ich bin einen Tag bewusstlos und schon kauft ihr wie verrückt Hüte?!«)
Doogie Howser hatte meinen Mantel also gleich bemerkt, als ich hereinkam, und musste unbedingt wissen, wer ich war. Ich weigerte mich, ihm meinen Nachnamen oder meine Telefonnummer zu geben, und gab ihm klar zu verstehen, dass ich einen Freund hätte, denn ich wollte nicht von ihm gestalkt werden. Doogie stellte sich als Victor vor und meinte, ich solle mein Geld nicht damit
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