Das ist nicht wahr, oder?
Heißkleber, Netzstoff und einem mit Blumen gemusterten Stirnband einen Schleier, den Kuchen kauften wir beim Lebensmittelhändler in unserm Dorf.
Unser offizielles Hochzeitsfoto. Wer uns nicht kennt, könnte fast meinen, wir tanzten durch einen von Kerzen erleuchteten Ballsaal. Dabei stehen wir vor dem Hintergrundvorhang des Fotostudios im Einkaufszentrum. Immerhin tönte aus der Sprechanlage ein Song von Lionel Richie, und zwar »Dancing on the Ceiling«. Es war, als wollte sogar das Einkaufszentrum sich über uns lustig machen.
Weder Victor noch ich waren religiös, meine Großeltern bestachen deshalb ihre Kirchengemeinde, uns ihre kleine Nebenkapelle benutzen zu lassen. Die Hochzeit dauerte insgesamt zwölf Minuten, denn wir hatten den Pfarrer gebeten, fast alle Stellen mit Jesus wegzulassen. (»Jesus ist eingeladen, auf jeden Fall«, erklärten wir ihm. »Er soll nur keine langen Reden halten.«) Darauf folgte ein zwanzigminütiger Empfang im Keller, der genauso aussah wie ein Keller, nur noch etwas trostloser.
Aber in der Kapelle, in der wir uns das Jawort gaben, war das alles irgendwie unwichtig. Wichtig war nur, dass wir uns liebten. Und während unsere Familien dem Ausgang zustrebten, um uns dort mit Vogelsamen zu bewerfen, versteckten wir uns in dem leeren Raum hinter dem Altar und Victor musste mir versprechen, mich immer zu lieben. »Hab doch ein wenig Vertrauen«, sagte er mit einem stolzen Lächeln. Rückblickend hätte ich wahrscheinlich um etwas Konkreteres bitten sollen, wie »Versprich mir, dass du im Flur immer die Katzenkotze wegwischst«, oder »Versprich mir, dass du mich nie fragst, ob ich schon wieder meine Tage habe, wenn wir uns ganz vernünftig streiten und du dich doch auch einfach entschuldigen und aufhören könntest, ein solches Arschloch zu sein.«
Aber nein, ich war jung und naiv und wünschte mir Liebe, und ich wollte darauf vertrauen, dass das reichte.
Manchmal bleibt einem nichts anderes übrig.
ZU HAUSE IST ES DOCH AM SCHÖNSTEN
Nach unserer Hochzeit begann ich als Personalreferentin zu arbeiten. Victor arbeitete als Computerexperte. Wir kauften ein kleines Siebzigerjahre-Haus in San Angelo, der Stadt vor den Toren von Wall, in der wir auch ins College gegangen waren. Das Haus verband sich rasch mit vielen Erinnerungen. Wir wohnten zum Beispiel dort, als ich zu der Überzeugung gelangte, der Millenium-Bug bedeute den Weltuntergang. Ich ließ deshalb an Silvester 1999 die Badewanne volllaufen, damit wir wenigstens genug zu trinken hatten, wenn aus dem Hahn nur noch Blut sprudelte, aber mein Kater bemerkte nicht, dass die Wanne voll war, und fiel hinein und verschmutzte das Wasser. Dann lachte Victor auch noch über mein unglückliches Gesicht und ich war stinksauer, weil hallo?, ich machte das doch für uns beide. Und dann verließ er mich um Viertel vor Zwölf, um nach den Computern auf der Arbeit zu sehen, und wollte vor dem Abfahren nicht einmal die Schrotflinte für mich laden. Als er einige Stunden später zurückkehrte, hatte ich die Tür mit Sofas verrammelt,damit die Plünderer nicht ins Haus kamen. Ich war zu müde, um sie wegzurücken, deshalb sagte ich nur, die Tür lasse sich wegen des Millenium-Bugs nicht mehr öffnen, er solle einfach unter dem Auto schlafen. Nach einer Weile konnte er mich überzeugen, dass draußen keine Plünderer warteten, und ich öffnete ein Fenster und er stieg herein.
An diese glücklichen Erinnerungen klammerte ich mich einen Monat später, als Victor ein Jobangebot in Houston annahm und mich zurückließ, um das Haus zu verkaufen. Er beschaffte uns eine neue Wohnung und erwartete, dass ich in ein, zwei Wochen nach Houston nachkam, aber sobald ich die lange ersehnte Gelegenheit hatte, die Provinz zu verlassen, merkte ich auf einmal, wie sehr ich bleiben wollte. Schon der Gedanke an das Leben in der Großstadt erschreckte mich und ich tat, was ich konnte, damit das Haus nicht verkauft wurde. Ich parkte auf dem Verkaufsschild, das Victor aufgestellt hatte, und teilte mehreren Interessenten, die Victors Annonce in der Zeitung gelesen hatten, mit, wir würden das Haus deshalb verkaufen, weil ich es nicht ertragen könnte, am Schauplatz eines so grässlichen Mordes zu wohnen.
Nach einem halben Jahr des Wartens beschlich Victor der Verdacht, dass ich mauerte, und er kam, um mich nach Houston zu holen. Das Haus wollte er bis zum Verkauf leer stehen lassen. Gleich am Tag seiner Ankunft zog er beleidigt das Verkaufsschild aus dem Kühlergrill
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