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Das ist nicht wahr, oder?

Das ist nicht wahr, oder?

Titel: Das ist nicht wahr, oder? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Lawson
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mich mit Respekt und gleichermaßen Unbehagen,als käme mit mir ein gefährlicher, höchst bedrohlicher Sprengstoff in ihr Leben. Erst später, auf dem Weg zum Altar am Tag meiner Hochzeit, konnte ich den Blick auf ihren Gesichtern endlich einordnen. Mir wurde klar, dass ich vor einiger Zeit genau denselben Blick auf Victors Gesicht gesehen hatte. Ich war für sie der unerwartete Luchs auf ihrem Sessel. Und ich wusste jetzt genau, wie grässlich dem armen Luchs damals zumute gewesen war.

HOCHZEIT AM 4. JULI
    Victor und ich heirateten am 4. Juli. Die Hochzeit war so ähnlich wie in dem Film GEBOREN AM 4. JULI, nur mit weniger Rollstühlen, und Tom Cruise war auch nicht da. Außerdem habe ich den Film nie gesehen, weil er irgendwie deprimierend klingt. Aber fairerweise muss ich auch sagen, dass ich mich an meine Hochzeit kaum noch erinnere, es kann also gut sein, dass Tom Cruise doch da war und ich es nur vergessen habe. Das wird peinlich werden, wenn ich Tom Cruise das nächste (oder erste) Mal treffe.
    Am Hochzeitstag hatten sowohl Victor wie ich Bedenken. Ich hatte sie, weil ich kaum zweiundzwanzig und unreif war und keine Ahnung hatte, wie man eine verheiratete Frau war, vor allem aber wegen des Kleids, das ich trug (siehe »zweiundzwanzigund unreif«). Aufgrund einer merkwürdigen Fügung des Schicksals hatte Victor mein Hochzeitskleid gekauft. Er hatte es im Schaufenster eines Kleiderverleihs gesehen, der wegen Geschäftsaufgabe schloss. Es war unangemessen jungfräulich weiß und mit Perlen und Schleifen besetzt, ein Hochzeitskleid, das Prinzessin Diana und Scarlett O’Hara beide völlig übertrieben gefunden hätten. Die aufgeblähten Puffärmel waren dicker als mein Kopf und offenbar mit Zeitung ausgestopft (vermutlich der Sonntagsausgabe der NEW YORK TIMES), der Reifrock, der die meterlangen weißen Rüschen stützte, machte einen ständigen Sicherheitsabstand von anderthalb Metern nach allen Richtungen erforderlich, denn wenn etwas gegen seinen unteren Rand stieß, schnellte die gegenüberliegende Seite hoch und traf mich am Kopf. Es war monströs und pflegeaufwendig und rein wie Schnee
und nie im Leben hätte ich dieses Kleid selbst für mich ausgewählt,
aber Victor bestand darauf, es wäre absolut »mein Kleid«, was wohl weniger eine Kränkung als eine Vision der Frau sein sollte, die ich eines Tages werden könnte. Er irrte sich in so vieler Hinsicht, dass ich schon gar nicht mehr mitzähle.
    Ich war mit meinen Zweifeln allerdings nicht allein. Victors Bedenken gingen darauf zurück, dass wir zwei Wochen zuvor ein »ziemlich furchtbares Date« gehabt hatten, wie ich es nannte. Victor sprach davon immer noch als »damals, als du mich fast umgebracht hättest«. (Anmerkung: Heute spricht er von »dem ersten Mal, als du mich fast umgebracht hättest«.) Aber Victor schreibt dieses Buch nicht, vor allem weil er immer so schrecklich überreagiert. In Wirklichkeit fuhren wir nach Sonnenuntergang eine abgelegene Landstraße entlang, denn Victor suchte nach Schlangen. Absichtlich. Im vergangenen Jahr hatte er eine Faszination für Schlangen entwickelt und verdiente nebenher Geld, indem er Schlangen, die nach Einbruch der Dunkelheit auf den warmen, leeren Straßen lagen,einfing, zähmte und anschließend an andere Schlangenliebhaber verkaufte. Die harmlosen, leicht zähmbaren Schlangen erkannte er meist auf Anhieb und er hörte auf meine Warnung, sich nie mit den aggressiven, giftigen anzulegen. Bis zu besagtem Abend, an dem wir eine besonders große Klapperschlange auf der Straße liegen sahen, die offenbar von einem anderen Auto überfahren worden war. Victor hielt und ich warnte ihn, er sollte nicht aussteigen, aber er meinte, er sehe doch, dass die Schlange überfahren worden wäre, und ich solle ihm mit der Taschenlampe leuchten, er wolle sich überzeugen, dass sie tot war und nicht noch litt. Ich schlug vor, sie stattdessen einfach noch ein paar Mal zu überfahren, aber er sah mich an, als würde ich mich vollkommen danebenbenehmen, und stieg langsam aus. Ich machte zögernd meine Tür auf, wollte aber nicht aussteigen, sondern blieb auf dem Trittbrett des Pickup stehen und beugte mich über die Kühlerhaube. Bestimmt lauerten da noch weitere Klapperschlangen, um als Gruppe über uns herzufallen. Victor drehte sich ungeduldig nach mir um. »Komm schon und bring die Taschenlampe mit.
Du bist zu weit weg.«
    »Ich stehe hier gut, danke.
Steig bitte sofort wieder ein.«
    Er sah mich böse an und schüttelte

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