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Das ist nicht wahr, oder?

Das ist nicht wahr, oder?

Titel: Das ist nicht wahr, oder? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Lawson
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festgestellt und ich bekam ein Antidepressivum, in dessen Folge ich mit Selbstmordgedanken spielte.
Was, man höre und staune, nicht wirklich Sinn und Zweck eines Antidepressivums ist.
Victor entdeckte, dass ich online nach Selbstmord-Foren suchte, sperrte meinen Internetzugang und ließ mir ein anderes Medikament verschreiben, das diesmal wirkte. Mein Psychiater arbeitete mit mir, bis ich wieder in der Lage war, aus dem Haus zu gehen, ohne gleich zusammenzubrechen. Anschließend teilte er mir per E-Mail überraschend mit, er gehe in den Ruhestand, was wahrscheinlich im Klartext bedeutete: »Du bist sogar für mich zu kaputt. Ich will dich nie wiedersehen.« Aber das war in Ordnung, denn es ging mir besserund ich fühlte mich wieder bei Kräften und bereit für einen neuen Versuch.
    Ich wurde wieder schwanger.
    Und verlor das Baby wieder.
    Ich wechselte den Arzt und ließ mich auf alles testen, was man testen kann. Dabei kam heraus, dass ich das Antiphospholipid-Syndrom hatte, das ich kaum buchstabieren konnte. Ich ging nach Hause und sah im Internet nach, und dort stand im Wesentlichen, dass ich sterben würde, aber meine Ärztin meinte, so schlimm wäre es nicht. Es handelt sich um eine Autoimmunerkrankung, die Blutgerinnsel verursacht und während einer Schwangerschaft schlimmer wird. Ich sagte, ich hätte mit ziemlicher Sicherheit auch Polio und Hodenkrebs, und meine Ärztin verbot mir daraufhin, im Internet nach weiteren Krankheiten zu suchen.
    Sie verschrieb mir Baby-Aspirin und ich war empört. »Im Ernst? Baby-Aspirin? Wie bescheuert ist das denn.« Aber sie versicherte mir, mein Blut würde dadurch ausreichend verdünnt, um weitere Fehlgeburten zu verhindern. Woraufhin ich wieder eine Fehlgeburt hatte. »SCHEISS-BABY-ASPIRIN«, schrie ich, und meine Ärztin erklärte sich bereit, mir das volle Programm teurer Blutverdünner zu verschreiben. »Verdammt noch mal, ja«, sagte ich. Darauf sie: »Hier in dieser großen Reisetasche sind die Spritzen, damit können Sie sich das Medikament direkt in den Blutkreislauf spritzen.« Ich dachte: »Oh, ich habe einen großen Fehler gemacht.« Aber da war es schon zu spät für einen Rückzieher, ich hatte schon all die schrecklichen Internet-Berichte gelesen, in denen Frauen wegen dieser Blutkrankheit Schlaganfälle bekommen. Außerdem dachte ich, vielleicht helfen die Blutverdünner ja auch gegen das Polio, das ich bei mir diagnostiziert hatte, ich nahm also meinen ganzen Mut zusammen und begann mich zu spritzen. In den Bauch,zweimal am Tag.
Der Wahnsinn.
Dieselbe Behandlung wie bei Tollwut, nur dass man statt fünf Spritzen siebenhundert kriegt.
    Nach unendlich vielen Monaten des Spritzens war ich schließlich wieder schwanger. Diesmal kam ich weiter als jemals zuvor. Nach den ersten drei Monaten glich mein Bauch einem Flickenteppich aus blauen Flecken, und wenn ich beim Ultraschall das Hemd hochzog, starrten die Techniker ihn erschrocken an und ich musste ihnen schnell versichern, dass mein Mann mich nicht verprügelt hatte. Trotzdem musterten sie Victor misstrauisch, was im Grunde eine schöne Ablenkung war, weil ich bei jedem Ultraschall Folterqualen litt, weil ich überzeugt war, das Baby wäre tot. War es aber nicht.
    Ich ging zu allen Untersuchungen und bestand eisern darauf, dass keine an einem Tag mit der Unglückszahl stattfand. Ich gewöhnte mir auch an, die Unglückszahl »Zwölf B« zu nennen. Also Elf, Zwölf, Zwölf B, Vierzehn. Die Leute hielten mich für verrückt, was ich auch war (und immer noch bin). Aber ich wollte kein Risiko eingehen, und statt etwas gegen meine heftige Zwangsneurose zu unternehmen, klammerte ich mich an den Gedanken, dass ich das Baby dadurch am Leben hielt, indem ich die Katzen bat, mir Glück zu wünschen. Als Victor mich einmal zur Arbeit fuhr und ich merkte, dass ich das vergessen hatte, verlangte ich, dass er sofort umdrehte. Er versuchte mir ganz vernünftig zu erklären, dass die Katzen keinen Einfluss auf mein Glück oder Pech haben könnten, aber vergebens. Dass Katzen das nicht haben, wusste ich selber. Dieselben Katzen kackten schließlich im Katzenklo gedankenlos über den Rand.
Natürlich
bestimmten die nicht über mein Schicksal, das tat ich schon selber. Nur befolgte ich dabei all die kleinen Zwangsvorstellungen, die mir zum Überleben notwendig waren. Die zahlreichen abstrusen Angewohnheiten machten mein Leben natürlich unglaublich kompliziert, aber ich war bereit, mich mitdieser Krankheit abzufinden, wenn dafür

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