Das ist nicht wahr, oder?
unterscheiden. Asiatinnen sind gar nicht zu hören. Still wie ein Grab. Auf sie müssen wir besonders aufpassen. Wenn wir nicht ständig nach ihrer Muschi sehen, gebären sie, ohne dass wir es merken.«
»Oh«, murmelte ich verdattert … weniger wegen ihrer Klassifizierung nach rassischen Kriterien als wegen des Wortes »Muschi«, das ich aus dem Mund einer medizinischen Fachkraft nicht erwartet hatte. Bestimmt war es ihr nur versehentlich herausgerutscht. Sie musste meinen besorgten Blick bemerkt haben, denn sie tätschelte mir die Hand und sagte: »Ist schon gut, ich bin schwarz, deshalb darf ich das laut sagen. Die anderen Schwestern auf der Station dürfen es nur denken. Und«, fügte sie stolz hinzu, »jetzt habe ich Sie so abgelenkt, dass Sie gar nicht bemerkt haben, wie ich Ihnen die Infusionen gelegt habe.« Und sie hatte recht. Das mit der asiatischen Muschi hatte mich total abgelenkt. Und das nicht zum ersten Mal.
Victor wusste, dass ich Angst hatte, allerdings weniger vor den Schmerzen als vor dem Risiko einer Totgeburt, das bei Frauen mit Antiphospholipid-Syndrom so viel höher ist. Ichwar so darauf konzentriert, meine Tochter aus meinem Bauch hinauszubekommen (den ich immer noch als reinste Todesfalle betrachtete), dass ich die Schmerzen kaum bemerkte. Victor murmelte mir Nettigkeiten ins Ohr, die mich aufbauen sollten, aber sie klangen so daneben, dass ich ständig hysterisch kichern musste und alle mich ansahen, als wäre ich verrückt geworden. Also erteilte ich Victor Redeverbot. Dann noch einmal pressen und Stille kehrte ein. Und dann ein ganz wunderbares Geräusch: Weinen. Das war ich. Und dann weinte auch Hailey. Meine süße, wunderschöne Tochter. Es war unglaublich.
Ich hatte bis dahin nicht glauben wollen, dass ich je die Mutter von jemand sein könnte. Als ich Hailey in den Armen hielt, weinte Victor und ich war von einem solchen Staunen und einer solchen Ehrfurcht erfüllt, als müsste ich gleich explodieren. Dann ließ die Wirkung der Epiduralanästhesie nach und ich weiß noch, wie ich dachte, es wäre nett, wenn die Mutter des Babys jetzt käme und es mir abnehmen würde, damit ich ein wenig schlafen kann. Und dann fiel mir ein, dass ich ja selbst die Mutter war. Da wurde mir ein wenig Angst um uns beide.
Kurz darauf wurde Hailey von den Schwestern weggebracht und ich schickte Victor hinterher, denn ich war überzeugt, dass der Arzt sie irgendwie mit einem anderen Baby vertauschen könnte, aus dem dann ein schrecklicher Sonderling werden würde. Ich hatte zu viele Vormittagsserien gesehen.
Und so kam es, dass ich halbnackt und ganz allein dalag, voll mit meinem eigenen Blut und immer noch auf dem Gebärbett festgeschnallt, in der wohl unvorteilhaftesten Haltung, die denkbar ist. Zu der langen Liste von Menschen, die an diesem Tag meine Vagina sahen, kam noch ein eingeschüchterter, verwirrter Hausmeister.
Es war die Sache so was von wert.
Ich und Hailey – 2004. Zu dem Zeitpunkt brauchten wir beide eine Flasche.
MEINER VAGINA GEHT ES GUT, DANKE DER NACHFRAGE
Wer keine Kinder hat, glaubt jetzt sicher, dass es in diesem Kapitel um Töpfchentraining geht (weil in fast allen von Müttern geschriebenen Büchern auf das Wehen-und-Geburt-Kapitel das Töpfchentraining-Kapitel folgt). Also rümpft er die Nase und will das Kapitel überspringen. Sollte er aber nicht. Denn nach diesem Kapitel fühlt er sich voll bestätigt in Sachen Empfängnisverhütung und/oder Unfruchtbarkeit.
Wer dagegen Kinder hat, denkt wahrscheinlich, dass er das Kapitel überspringen kann, weil er sowieso schon alles weiß. Das ist aber ein Irrtum, ganz bestimmt. Was noch? Nichteltern, die das lesen, werden Eltern danach hämisch angrinsen, darauf sollte man zumindest vorbereitet sein. Aus demselben Grund höre ich mir im Rundfunk oft Sendungen ultrakonservativer Republikaner an. Weil ich wissen will, wie meine Gegner ticken. Und auch weil ich in Texas lebe und es hier nicht viele Alternativen gibt. Außerdem geht es in diesem Kapitel gar nicht um Töpfchentraining. Wer hat das überhaupt gesagt? Töpfchentraining ist kein Thema, über das man witzig erzählen könnte. Es gleicht mehr einem schrecklichen Todesmarsch durch einen verwunschenen Wald, in dem die Bäume wütende Bären sind, gegen die man allergisch ist. Und zugleich muss man noch Bilder von Toten ansehen. Also, es ist jedenfalls so schrecklich, dass du dein Kind am liebsten für den Rest seines Lebens nach draußen schicken würdest, aber das geht
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