Das italienische Maedchen
hatte.«
»Das kann ich verstehen. Welche Alternativen gibt es?«
»Sie hat eine wunderschöne Stimme, und die muss gefördert werden.«
»Wie ihre Tante«, murmelte Luca.
»Und ihr Vater«, erwiderte Carlotta emotionslos. »Luca, ich habe einen Plan. Möglicherweise findest du ihn nicht gut, aber mein Beschluss steht fest. Was, glaubst du, würde Papà tun, wenn Ella bei meinem Tod nicht mehr in Neapel und er ganz allein wäre?«
»Keine Ahnung, Carlotta. Wahrscheinlich würde er sich jeden Abend betrinken«, antwortete er seufzend.
»Ich weiß genau, was geschähe: Er würde Signora Barezi heiraten. Die würde die Leitung des Cafés übernehmen und sich so um Papà kümmern, wie er es gewöhnt ist. Weil Papà mich und Ella hat, besteht für ihn keine Notwendigkeit, wieder zu heiraten. Ich habe die meisten Dinge erledigt, die früher Mammas Aufgabe waren. Und seine anderen Bedürfnisse … nun, für die hat er Signora Barezi. Aber er wird sie nur zur Frau nehmen, wenn die Umstände ihn dazu zwingen. Ich glaube, das wäre die beste Lösung für ihn und Ella. Dann wäre sie frei.«
»Aber wo soll sie hin? Sie ist zu jung, um allein zurechtzukommen.«
»Ja. Sie braucht eine Familie, die für sie sorgt und ihre Stimme fördert.«
Luca schüttelte den Kopf. »Wir haben außer Rosanna und …« Er sah seine Schwester entsetzt an. »Nein, Carlotta. Du möchtest sie doch wohl nicht zu Rosanna schicken, oder?«
»Zugegeben, der Plan hat Nachteile, aber etwas Besseres fällt mir nicht ein. Sie muss ihre Chance bekommen, Luca. Ich möchte, dass sie eine Zukunft hat. Rosanna ist wohlhabend, kultiviert und kosmopolitisch. Sie kann Ella alles beibringen, was sie wissen muss. Wenn sie erst einmal ihre Stimme gehört hat, wird sie sie zu einem geeigneten Lehrer bringen.«
»Du möchtest Rosanna das uneheliche Kind ihres Mannes schicken? Das willst du ihr doch nicht antun, oder?«
»Luca.« Plötzlich lächelte Carlotta. »Das ist das einzig Schöne daran, wenn man weiß, dass man nicht mehr lange zu leben hat. Man hat Macht. Dass ich selber etwas beeinflussen konnte, ist lange her, und ich werde diese Macht nutzen, weil ich muss. Ich weiß, dass Rosanna gern für Ella, das Kind ihrer toten Schwester, sorgen wird, und sei es auch nur aus Pflichtgefühl. Es ist ja nur für ein paar Jahre. Ella ist fast erwachsen. Rosanna soll sie auf den richtigen Weg bringen. Sie muss die Hintergründe nicht erfahren.«
»Und was ist, wenn Roberto und Rosanna wieder zusammenkommen? Was dann, Carlotta?«
»Hältst du das denn für wahrscheinlich? Sie sind jetzt so lange getrennt. Du sagst, Roberto kommt nicht einmal seinen Sohn besuchen. Ich habe nicht das Gefühl, dass eine Versöhnung ins Haus steht. Und selbst wenn, sehe ich keinen Grund, warum sie die Wahrheit erfahren sollte.«
»Du willst das Geheimnis also mit ins Grab nehmen?«
Sie zögerte kurz, bevor sie nickte. »Ja, Luca. Mein Plan sieht folgendermaßen aus: Du fährst so bald wie möglich mit Ella nach England. Wir sagen ihr, dass ihr dort Ferien macht. Und du sorgst dafür, dass sie nicht mehr nach Neapel zurückkehrt.«
Luca sah sie ungläubig an. »Du willst deine Tochter in dem Wissen wegschicken, dass ihr euch nie wiederseht? Ist das Ella gegenüber fair?«
Carlotta schüttelte frustriert den Kopf. »Nein, natürlich nicht, aber unter diesen Umständen ist nichts fair. Eine bessere Lösung weiß ich nicht. Begreifst du denn nicht? Wenn ich sterbe und Ella hier ist, klammert Papà sich an sie, und Ella kommt genau wie ich nie von zu Hause weg.«
»Und deine …« Luca schaffte es nicht, das Wort auszusprechen.
»Nein, bei meiner Beerdigung wird sie nicht dabei sein«, erklärte Carlotta. »In meinem Testament verfüge ich, dass nur du und Papà anwesend sein sollen. Luca, sie darf nicht zurückkommen. Ich flehe dich an, sorge dafür. Es ist mir egal, wie du das machst – lüg sie an, wenn es sein muss.«
Er bewunderte ihren Mut und ihre Entschlossenheit, hatte jedoch Zweifel an der moralischen Qualität ihrer Entscheidung. »Und was ist mit Rosanna? Sie muss über deine Pläne informiert werden.«
»Ja.«
»Sie möchte kommen und dich sehen.«
»Nein.« Plötzlich wirkte Carlotta sehr müde. »Es ist das Beste so, damit ich es mir nicht anders überlege. Bitte, Luca. Ich weiß, was für mein Kind richtig ist. Du hilfst mir doch, oder? Ich möchte wenigstens meinen Seelenfrieden finden.«
Er nickte. »Ich werde alles in meiner Macht Stehende
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