Das italienische Maedchen
bitte! Wo soll ich hin, und was soll ich machen?«, stöhnte Carlotta.
»Das geht mich nichts mehr an. Meine Firma hat eine Zweigstelle in Rom; da lasse ich mich so schnell wie möglich hinversetzen.«
»Aber was wird aus Ella? Sie hält dich für ihren Vater und liebt dich, Giulio.«
»Das hättest du dir eher überlegen sollen.« Er wandte sich vor Wut bebend ab. »Ich bin müde und geh jetzt ins Bett. Du schläfst hier, und wenn ich morgen im Büro bin, packst du deine Sachen und verschwindest, bevor ich abends heimkomme.«
»Natürlich könnt ihr beide eine Weile bei uns bleiben, keine Frage. Carlotta, mein armes Kind, was ist los?« Antonia drückte ihre Tochter kurz an ihren üppigen Busen und musterte sie dann besorgt. »Du siehst aus wie ein Gespenst. Willst du dich hinlegen? Du kriegst mit Ella dein altes Zimmer; Rosanna kann auf dem Sofa im Wohnzimmer schlafen.«
Carlotta nickte müde. »Ach, Mamma, ich …«
Antonia, die den besorgten Blick der vierjährigen Ella sah, rief nach Luca, der kurz darauf auftauchte. »Geh mit Ella runter in die Küche. Sie soll was essen, während ich mit deiner Schwester rede«, murmelte sie. »Der Himmel allein weiß, was passiert ist.«
Carlottas verzweifelter Gesichtsausdruck sagte Luca alles.
Antonia wischte sich mit einem Taschentuch die Stirn ab und scheuchte ihre Tochter ins Schlafzimmer. »Und das bei dieser Hitze.«
»Tut mir leid. Ich werde nicht lange bleiben.« Carlotta sank aufs Bett, und Antonia setzte sich neben sie. »Alles in Ordnung, Mamma? Du siehst krank aus.«
»Danke, ich bin okay. Nur die Hitze macht mir zu schaffen. Bitte, Carlotta, erzähl mir, was passiert ist. Du und Giulio, ihr habt euch gestritten, stimmt’s?«
»Ja.«
»Keine Sorge.« Antonia nahm ihre Tochter in den Arm. »Das ist bei Eheleuten nun mal so. Dein Papà und ich sind uns früher ständig in den Haaren gelegen. Jetzt haben wir nicht mehr die Energie dazu.« Sie lachte gequält. »Wenn du dich ein bisschen ausgeruht hast, geht’s dir besser. Dann kehrst du zu Giulio zurück und versöhnst dich mit ihm.«
»Nein, Mamma. Ich kann nicht zu ihm zurück. Das mit Giulio und mir ist vorbei. Endgültig.«
»Aber warum? Was hast du angestellt?«
Carlotta wandte den Kopf ab und begann zu schluchzen.
Antonia erhob sich seufzend vom Bett. »Gönn dir eine Pause, Carlotta. Wir reden später weiter.«
Als Rosanna abends von der Chorprobe nach Hause kam, fiel ihr Blick auf das kleine Bündel in ihrem Bett. Da ihre Nichte Ella tief und fest schlief, verließ sie leise den Raum und schlich über den schmalen Flur zum Wohnzimmer, hinter dessen Tür sie ihre Eltern reden hörte.
»Ich weiß nicht, was passiert ist, Marco. Sie will es mir nicht verraten. Im Moment ist sie mit Luca unten. Vielleicht kann er sie zur Vernunft bringen. Ich habe versucht, Giulio zu erreichen, aber es geht niemand ran.«
»Natürlich muss sie zu ihrem Mann zurück. Sie gehört zu ihm. Das werde ich ihr sagen.« Marco klang wütend.
»Bitte lass sie heute Abend in Ruhe. Sie ist ziemlich durcheinander«, flehte Antonia ihn an.
Rosanna öffnete die Tür. »Was ist los?«, fragte sie.
»Deine Schwester hat ihren Mann verlassen und wird mit Ella ein paar Tage bei uns bleiben. Rosanna, du kannst hier auf der Couch schlafen.« Antonia erhob sich keuchend.
»Alles in Ordnung, Mamma?«, erkundigte sich Rosanna.
»Ja, ja.« Antonia schwankte ein wenig. »Ich muss runter, an die frische Luft.« Sie fächelte sich Luft zu und verließ den Raum.
»Papà, warum hat Carlotta Giulio verlassen?«
Plötzlich war ein dumpfer Schlag zu hören.
Marco und Rosanna hasteten aus dem Wohnzimmer und auf den Flur, von wo aus sie Antonia am Fuß der Treppe zum Café liegen sahen.
» Mamma mia! Antonia!« Marco eilte zu seiner Frau und kniete neben ihr nieder. Rosanna folgte ihm.
»Lauf, hol den Arzt, schnell!«, brüllte ihr Vater. »Und Luca und Carlotta.«
Rosanna rannte in die Küche, wo Luca die schluchzende Carlotta tröstete.
»Schnell! Mamma ist auf der Treppe zusammengebrochen! Ich hole den Arzt!«, rief Rosanna und lief hinaus auf die Straße.
Carlotta und Luca fanden Antonia mit dem Kopf nach unten auf der Treppe vor. Aus einer Wunde unter ihren dichten Haaren sickerte Blut, ihre Haut war aschfahl, ihre Augen waren ein wenig geöffnet. Carlotta kniete neben ihr nieder und fühlte ihren Puls.
»Ist sie …?« Marco war nicht in der Lage, den Satz zu Ende zu führen.
»Versuchen wir wenigstens, es ihr ein
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