Das italienische Maedchen
künstlerischen Leiter eines der größten Opernhäuser der Welt eine solche Sonderbehandlung?«
»Nein. Tut mir leid. Ich bin ungeduldig und egoistisch.«
»Das ist Teil deiner Künstlerseele, die mit deiner Stimme wachsen wird«, meinte Luigi schmunzelnd. »Du bist genau dort, wo du sein sollst, Rosanna. Vertrau mir, Paolo und Riccardo. Wir sind auf deiner Seite.«
Eine halbe Stunde später begleitete Luigi sie zur Haustür. »Schöne Grüße an deinen Bruder. Ich wünsche ihm alles Gute für den Weg, den er eingeschlagen hat.«
»Danke.« Rosanna küsste Luigi auf beide Wangen. »Sehe ich Sie bei meiner ersten Premiere in Mailand?«
»Um nichts in der Welt würde ich mir die entgehen lassen.« Er küsste sie seinerseits auf die Wange. » Ciao , Rosanna. Hör nie auf zu üben.«
»Versprochen.« Auf der Auffahrt winkte sie ihm noch einmal zu.
Vier Tage nach ihrer Rückkehr nach Mailand begleitete Rosanna Luca zum Bahnhof, wo er seine Reise nach Bergamo antreten wollte. Als ihr Bruder den Zug bestieg, umarmte sie ihn ein letztes Mal.
»Ich bin sehr stolz auf dich, Luca.«
»Und ich auf dich, piccolina . Noch eins, bevor ich losfahre: Du besitzt eine wunderbare Gabe, doch du wirst einen hohen Preis dafür bezahlen, das ist bei allen Gaben so. Vertrau nur dir selbst«, riet er ihr.
»Versprochen.«
»Abi wird auf dich aufpassen. Und du musst ein Auge auf sie haben.«
»Ja. Ich glaube, ihr geht es am meisten an die Nieren, dass du wegfährst.«
»Ja, wir stehen uns sehr nahe«, bestätigte Luca.
»Du wirst uns schreiben?«
»Ich versuche es, aber es könnte sein, dass ich mich eine Weile nicht melde. Für Novizen gelten strenge Regeln. Ciao, bella .« Luca küsste sie auf beide Wangen. »Gott segne und schütze dich in meiner Abwesenheit.«
» Ciao , Luca.«
Rosanna winkte, bis der Zug nicht mehr zu sehen war. Als sie vom Bahnhof auf die belebten Straßen Mailands hinaustrat, fühlte sie sich plötzlich sehr einsam. Luca war immer für sie da gewesen. Nun musste sie der Zukunft allein ins Auge blicken.
15
Roberto wurde durch das Klingeln des Telefons geweckt. Fluchend griff er nach dem Hörer.
» Pronto .«
» Caro , ich bin’s, Donatella.«
»Warum rufst du mich um diese Uhrzeit an? Du weißt doch, dass ich gestern spät heimgekommen bin«, antwortete er verärgert.
»Entschuldige, aber du warst sechs Wochen weg. Ich wollte deine Stimme hören und sicher sein, dass du gut nach Hause gekommen bist. Bitte nicht böse sein.«
Robertos Stimme wurde sanfter. »Ich bin nicht böse, nur müde, das ist alles.«
»Wie war’s in London?«
»Es hat die ganze Zeit geregnet, und das im August. Ich hab mir eine üble Erkältung geholt.«
»Du Armer. Die Kritiken für deinen Kalaf in der Turandot waren hymnisch.«
»Ja, sie schienen ganz angetan zu sein«, wiegelte er ab.
»Soll ich heute Nachmittag zu dir kommen? Wir haben einiges nachzuholen.«
»Nein, heute Nachmittag geht’s nicht. Da treff ich mich mit Paolo de Vito, um die nächste Saison zu besprechen.«
»Dann morgen?«
»Gut, morgen.«
»Ich kann’s kaum erwarten. Um drei bin ich bei dir. Ciao .«
» Ciao .« Roberto legte auf und sank seufzend in die Kissen zurück. Seine Erleichterung, von dem grauen London weg und endlich wieder in Mailand zu sein, war dahin.
In den vergangenen fast vier Jahren hatte Donatella sich verändert. Anfangs war starke gegenseitige körperliche Anziehung die Basis der Affäre gewesen, und die Existenz von Donatellas Mann hatte dafür gesorgt, dass die Sache nicht ernster geworden war. Doch je berühmter Roberto wurde, desto besitzergreifender benahm sich Donatella. Das war fast unmerklich vonstattengegangen, bis sie im vergangenen Jahr hin und wieder das Wörtchen »Liebe« ausgesprochen hatte und wütend geworden war, wenn sie in Zeitungen oder Zeitschriften Fotos von Roberto mit anderen Frauen entdeckte. Sie unterstellte ihm permanent Affären, und manchmal hatte sie sogar recht. Doch trotz Donatellas Reichtum und Einfluss wollte er sich von ihr nichts vorschreiben lassen. Zu Beginn ihrer Beziehung war er ein Niemand gewesen, aber inzwischen genoss er Starruhm, und er duldete keine Einmischung in seine Angelegenheiten.
Allerdings erregte keine andere Frau ihn sexuell so sehr wie sie, und es fiel ihm sehr schwer, ihren Reizen zu widerstehen.
Auf dem Weg unter die Dusche dachte Roberto über dieses Dilemma nach. Hatte Donatella die Zeitungsfotos von ihm und Rosalind Shannon gesehen, einer jungen
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