Das italienische Maedchen
Erkältung. Am Montag habe ich die erste Stunde bei Riccardo.«
»Unsere kleine Diva! Luca, von nun an geht’s bergab«, spottete Abi. »Das ist erst der Anfang; später wird sie noch hypochondrisch werden, sich über jedes bisschen Zigarettenrauch beklagen und …«
Ein Sofakissen landete auf Abis Brust.
»Die Diva braucht ihren Schönheitsschlaf. Gute Nacht.« Rosanna verließ das Wohnzimmer mit einem Augenzwinkern.
Luca fing an, Teller und Gläser in die winzige Küche zu tragen, während Abi in ihrer kleinen Reisetasche kramte. »Schau, was ich gefunden habe!«, verkündete sie, als Luca ins Zimmer zurückkehrte, und hielt eine Flasche Brandy hoch. »Die hatte ich ganz vergessen«, schwindelte sie. »Möchtest du einen?«
»Nein, danke. Ich hab genug getrunken.«
»Nun stell dich nicht so an, Luca. Dies ist ein ganz besonderer Abend. Wenn du zur Feier des Tages keinen Brandy mit mir trinkst, bin ich beleidigt. Nur ein kleines Gläschen, ja?«
»Na schön.« Luca hob die Augenbraue, als er sah, wie voll sie das Glas machte.
»Wenn du nicht alles magst, trinke ich den Rest. Prost«, sagte sie, nahm einen großen Schluck und setzte sich aufs Sofa.
»Auf dich, Abi. Bravissima ! Ich freue mich sehr für dich.«
»Wirklich? Manchmal frage ich mich, ob du dir etwas aus mir machst.«
Luca war verblüfft. »Abi, dir dürfte doch klar sein, dass du meine beste Freundin bist.«
»Ja. Tut mir leid.« Abi, die merkte, dass sie ziemlich beschwipst war, wechselte das Thema. »Was willst du nun machen, wo Rosanna dich nicht mehr braucht?«
»Sie wird auch weiterhin Unterstützung benötigen.«
»Rosanna ist eine erwachsene Frau. Luca, du hast dir doch bestimmt Gedanken über deine Zukunft gemacht, oder? Willst du in Mailand bleiben und weiter in dem Café arbeiten?«
»Nein. Das mache ich nur, um Geld zu verdienen. Ich habe andere Pläne.« Luca setzte sich aufs Sofa und nahm einen Schluck Brandy.
»Erzähl. Ich bin schrecklich neugierig. Willst du ein Lokal eröffnen?«
»Nein. Das ganz bestimmt nicht.«
»Aber eines Tages wirst du doch heiraten und eine Familie haben wollen, oder?«
»Möglich.«
»Darf ich dir eine persönliche Frage stellen?« Der Alkohol verlieh Abi Mut.
»Frag ruhig. Ob du eine Antwort bekommst, ist eine andere Sache«, erklärte Luca mit ruhiger Stimme.
»Gut. Warum hattest du nie eine Freundin? Ich meine … Bist du … Sind dir … Männer lieber?«
Luca lachte schallend. »Was du für Fragen stellst! Nein, Abi. Wenn ein Mann keine Freundin hat, bedeutet das noch lange nicht, dass er schwul ist.«
»Findest du mich attraktiv?«, platzte Abi heraus.
Luca betrachtete sie. Die blonden Haare umrahmten ihr ovales Gesicht mit den lebhaften blauen Augen auf höchst attraktive Weise. Unwillkürlich wanderte sein Blick zu ihren langen, wohlgeformten Beinen, die sie untergeschlagen hatte.
»Sogar sehr. Ich bin ja nicht blind.«
»Warum hast du dann, wenn du gern mit mir zusammen bist und mich attraktiv findest, nie versucht …?«
»Bitte! Das darfst du mich nicht fragen.« Luca stand auf, trat ans Fenster und blickte hinaus auf die immer noch belebte Straße, auf der verliebte Paare händchenhaltend vorbeischlenderten. Luca versetzte es einen Stich, als ihm bewusst wurde, dass seine Zukunft anders aussah. Wenn er überhaupt eine Frau gewählt hätte, dann die, die ihm mittlerweile so ans Herz gewachsen war … die er liebte und die auf der Couch hinter ihm saß. Er nahm einen weiteren Schluck Brandy und stellte sein Glas aufs Fensterbrett.
»Luca, du kannst dir sicher denken, was ich für dich empfinde, warum ich die Sache mit dem Kirchenchor mache und warum ich so oft bei euch bin«, erklärte sie.
»Ich dachte, weil du die beste Freundin meiner Schwester und hilfsbereit bist.« Luca wandte sich zu ihr um.
»Natürlich«, versicherte sie ihm hastig. »Rosanna ist mir sehr wichtig. Und es macht mir Spaß, den Chor aufzubauen und zu betreuen. Aber du musst doch merken, dass mehr dahintersteckt.«
»Abi, bitte, ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
Abi leerte ihr Glas. Jetzt oder nie, dachte sie.
»Luca, darf ich dir etwas verraten? Etwas sehr Persönliches? Ich glaube, ich habe mich in dich verliebt.«
Luca sah sie traurig an.
»Ist das denn so schrecklich?«, fragte sie.
»Nein, ja … Ich …« Er senkte den Blick.
Abi trat zu ihm. »Bitte, Luca, sei ehrlich. Kannst du aufrichtig sagen, dass du nichts für mich empfindest?«
»Nein, das kann ich nicht.«
Abis Finger
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