Das italienische Maedchen
Sopranistin in Covent Garden? Mehr als einmal hatte er sich in dem tristen Londoner Wetter von ihr aufheitern lassen. Natürlich war sie nicht sonderlich begeistert über seine Abreise gewesen, aber seine Versprechungen schienen sie beruhigt zu haben. Roberto bezweifelte, dass er sich noch einmal die Mühe machen würde, sie anzurufen. Die Zeit mir ihr hatte Spaß gemacht, doch …
Er trocknete sich ab und schlüpfte in eine legere Armani-Hose und ein Seidenhemd, bevor er in die Küche ging, um das Honiggetränk zuzubereiten, das seine Stimmbänder ölte und schützte. Während er das Wasser aufsetzte, sinnierte er über das, was der Erfolg ihm gebracht hatte. Manche Menschen behaupteten, dass ihnen materielle Dinge nicht wichtig, dass diese nur eine angenehme Begleiterscheinung ihres Ruhms seien. Roberto hingegen war gern reich.
Seine neue Wohnung befand sich gleich bei der Via Manzoni, nur einen Katzensprung von der Scala entfernt, und entsprach genau seinen Bedürfnissen. Sie war klein genug, um nicht zu viel Pflege zu erfordern. Der Gedanke, dass eine ganze Heerschar von Bediensteten ihn in flagranti erwischen könnte, behagte ihm nämlich nicht. Trotzdem war das Apartment so schick, dass es seinem Status als einem der größten Tenöre der Gegenwart gerecht wurde.
Er hatte es geschafft und redete sich ein, dass ihm das ganz allein gelungen war.
Wenn Donatella Anspruch auf ihn erhob, musste sie lernen, sich an seine Regeln zu halten.
Sonst würde er sich von ihr verabschieden.
Am Nachmittag stieg Donatella in ihren neuen Ferrari, überprüfte ihr Make-up im Rückspiegel, ließ den Motor an und fuhr mit aufheulendem Motor los, um so schnell wie möglich wieder in Robertos Armen zu liegen. Kaum zu glauben, wie sehr er ihr fehlte!
Allmählich hatte sie genug von ihrer Teilzeitbeziehung und der Geheimnistuerei. Sie wollte der ganzen Welt verkünden, dass sie die Frau im Leben des großen Roberto Rossini war.
Den größten Teil des Sommers hatte sie mit ihrem Mann in ihrer Villa auf dem Cap Ferrat verbracht. Beim Sonnenbaden am Pool hatte sie ihren Mann begutachtet: Er war klein und fast kahl, hatte grobe Züge und einen Bauch, der im Lauf der Jahre stetig wuchs. Sie ertrug seine Berührungen kaum noch. Früher hatte sie sie für Reichtum, Macht und gesellschaftlichen Status bereitwilliger in Kauf genommen.
Doch nun gab es einen Mann in ihrem Leben, der ihr das Gefühl vermittelte, wieder jung zu sein, der genauso erfolgreich war wie ihr Gatte und – wichtiger – den sie liebte und begehrte. Beim Schwimmen in dem Pool der Villa mit spektakulärem Blick aufs Mittelmeer hatte Donatella sich eingeredet, Roberto habe ihr nur deshalb nie gesagt, dass er sie liebe, weil er wusste, dass es aussichtslos war. Schließlich war sie verheiratet und hatte nicht vor, ihren Mann zu verlassen, das hatte sie von Anfang an klargemacht.
Doch was, wenn sie plötzlich wieder Single wäre?
Nach ihrer Rückkehr aus Frankreich war Donatella zu einem Entschluss gelangt. Sie würde sich von Giovanni scheiden lassen und nach einem angemessenen Zeitraum Roberto ehelichen. In der Zwischenzeit könnte sie, wenn ihre Trennung von Giovanni erst einmal publik war, mit ihrem jungen Geliebten die Welt bereisen. Sie ertrug es nicht länger, in den Zeitungen von seinen Amouren zu lesen. Sie wollte ihn ganz für sich.
Schließlich hatte er seinen Erfolg ihr zu verdanken.
»Du hast mir so gefehlt, caro .«
Roberto stöhnte auf, als ihre Zunge schlangengleich seinen Bauch hinunter zu seinem Glied glitt.
»Sag, dass du mich liebst«, verlangte sie und hielt inne.
»Ich bete dich an«, flüsterte er im Taumel der Lust.
Donatella umfasste ihn lächelnd mit den Lippen.
Genau das war es, was sie hören wollte.
Rosanna und Abi betraten mit den anderen die Bühne der Scala. Nach drei Wochen in den Proberäumen war dies die erste Probe im Theater selbst.
»Gott, wie riesig«, flüsterte Rosanna nervös, als sie von der Bühne in den leeren Zuschauerraum blickte.
»Ich komme mir ganz verloren vor«, pflichtete Abi ihr bei.
Rosanna starrte den prächtigen Kronleuchter hoch über ihren Köpfen an und malte sich gerade das Debüt aus, das sie eines Tages hier geben würde, als Riccardo Beroli in die Hände klatschte.
»Jetzt gehen wir den ersten Akt durch.«
Wenig später sah Rosanna Anna Dupré mit Paolo de Vito ins Gespräch vertieft aus den Kulissen treten. Sie würde die Adina in Donizettis L’Elisir d’Amore singen, der Oper, mit der
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