Das italienische Maedchen
die Saison eröffnet würde. Rosanna hatte die Rolle der Giannetta und ein kurzes Solo mit dem Frauenchor. Tag um Tag hatte sie auf Roberto Rossini gewartet, der den Nemorino geben sollte, ihn jedoch, obwohl sie schon einen ganzen Monat probten, noch nicht zu Gesicht bekommen.
»Gut, und nun mit Gesang!« Riccardo gab dem Pianisten ein Zeichen.
Sechs zermürbende Stunden später verließen Abi und Rosanna das Theater.
»Puh! Jetzt brauch ich aber was zu trinken«, verkündete Abi, als sie Arm in Arm zu einem Café nicht weit von der Scala trotteten.
Sie setzten sich an einen Tisch am Fenster; Abi bestellte ein Glas Wein, Rosanna ein Mineralwasser.
»Das war anstrengend«, stöhnte Rosanna. »Die ewige Rumsteherei, bis endlich das Licht stimmt.«
»Die Stars mussten das nicht machen. Anna Dupré war nur vormittags eine Stunde da, und der große Signor Rossini hat sich überhaupt noch nicht blicken lassen.« Abi rümpfte die Nase.
»Paolo hat Anna gegenüber erwähnt, dass Roberto gestern Abend in Barcelona aufgetreten ist.«
»Angeblich hatte er hier ein paar Einzelproben und erscheint vermutlich erst zu den Kostümproben. Wahrscheinlich will er nichts mit uns normal Sterblichen zu schaffen haben.«
»Keine voreiligen Schlüsse, Abi, du kennst ihn doch gar nicht«, verteidigte Rosanna Roberto.
»Stimmt, aber selbst du weißt, was für einen schlechten Ruf er an der Scala hat. Angeblich hat er letzte Saison in der Carmen zwischen der Torero-Arie und dem Schmuggler-Chor eine der Chordamen vernascht. Und danach hatte er noch genug Luft fürs Finale!«
»Du bist schrecklich, Abi.« Rosanna lachte. »Bestimmt ist das alles übertrieben.«
»Mag sein, aber ich könnte mir vorstellen, dass eine Nacht mit Roberto Rossini den Kummer wert ist. Er soll eine Kanone im Bett sein.« Abi nahm, amüsiert über Rosannas Gesichtsausdruck, einen Schluck Wein. »Außerdem werde ich, jetzt, wo Luca im Priesterseminar ist, wohl jede Hoffnung, dass er meine Gefühle doch noch irgendwann erwidert, aufgeben müssen, und ich finde, mein gebrochenes Herz verdient Trost.«
»Mir war nicht klar, dass dir das mit ihm so ernst ist.«
»O doch. Ich habe gegen Gott verloren«, murmelte sie. »Aber vorbei ist vorbei, wie wir in England sagen. Hast du übrigens den Tenor auf den Stufen neben mir bemerkt?«
»Der Luca ein bisschen ähnlich sieht?«
»Ja«, gab Abi errötend zu. »Ich glaube, an den pirsche ich mich als Erstes ran. Prost!« Sie hob ihr Glas und leerte es.
Eine Woche später betraten Rosanna und Abi in ihren schweren Kostümen die Bühne zur Generalprobe. Rosanna hörte, wie die Musiker im Orchestergraben ihre Instrumente stimmten, und beobachtete, wie die letzten Nägel eingeschlagen wurden.
Paolo versammelte Chor und Solisten.
»Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass wir die Oper einmal ganz durchspielen können. Nehmen Sie jetzt bitte alle Ihre Ausgangsposition ein.« Paolo nickte Riccardo im Orchestergraben zu.
Der Chor hatte noch nicht lange gesungen, als aus dem Parkett ein »Stopp!« erklang. Zwanzig Minuten Pause, während etwas, das von der Bühne aus nicht zu sehen war, zu Paolos Zufriedenheit korrigiert wurde. Endlich konnten sie wieder anfangen.
Vier Stunden später warteten Rosanna und Abi, einen Plastikbecher mit Kaffee in der Hand, darauf, dass Paolo mit Akt eins fortfuhr.
»Schau mal, wer uns mit seiner Anwesenheit beehrt.« Abi stieß Rosanna an.
Als Rosanna den Blick hob, stockte ihr der Atem: Auf der Bühne unterhielten sich Roberto Rossini und Paolo.
»Er sieht tatsächlich ziemlich gut aus. Oje, ich muss los. Der Chor ist dran«, sagte Abi.
Kurz darauf trat der Chor ab, es wurde dunkel, und Roberto betrat die Bühne im grellen Spotlight.
Rosanna lauschte gebannt, wie er »Una furtiva lagrima« sang.
Zwei Tage später wartete Rosanna in den Kulissen auf ihren Auftritt. Obwohl sie ihr Solo im Schlaf beherrschte, war sie schrecklich aufgeregt. Sie versuchte, sich auf ihre Atmung zu konzentrieren und ruhiger zu werden. Donnernder Applaus begleitete Roberto, als er von der Bühne abging, direkt auf sie zu, und unerwartet vor ihr stehen blieb. Er atmete schwer, und auf seinem Gesicht glänzten Schweißperlen.
» In bocca al lupo , Miss Menici«, flüsterte er ihr zu.
» Crepi il lupo «, erwiderte sie errötend.
Er küsste sie auf die Stirn. »Das wird ein perfektes Debüt. Und jetzt raus mit dir.«
Rosanna trat hinaus auf die Bühne.
Zehn Minuten später war sie wieder in der Garderobe, die
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