Das Jahr auf dem Lande
Adrian hörte sich idiotischerweise sagen: »Wie ich sehe, sind Sie Katzenfreunde.« Immerhin wurde er mit einem Kopfnicken des jüngeren Gnoms belohnt.
Danach schlief die Konversation ein, bis Adrian zu seinem Entsetzen etwas von »Aufbrühen« hörte und das ganz richtig als eine Einladung auffaßte, aus einem unbeschreiblichen Blechbecher Tee zu trinken. Er sagte rasch, daß er zum Lunch nach Hause müsse und nur vorbeigekommen sei, um mit den beiden Herren Bekanntschaft zu machen. »Schauen Sie doch auch mal bei uns herein«, sagte er mit seinem charmantesten Lächeln, als er schon an der Tür war. Dann rannte er hinaus, verfolgt vom Knurren des alten Hundes, der sich vergeblich bemüht hatte, den Kuchen zu erreichen. Zu seiner Überraschung rief ihm der ältere Gnom noch nach: »Danke für das Essen!« Wenigstens hatte er vier ganze Wörter gesprochen, wie Adrian später stolz betonte. Er schob sich durch das halb zerbrochene Gatter, stieg in sein schönes Auto, fuhr davon und sagte sich, daß dies der einzige gesellschaftliche Mißerfolg seines bisherigen Lebens gewesen sei.
»Keineswegs«, meinte Malcolm Trent, als Adrian ihm die Geschichte erzählte. »Sie haben den beiden immerhin ein paar Worte entlockt. Das hat keiner von uns geschafft.«
»Wie leben die zwei denn? Sie haben kein Telefon. Wie bekommen sie denn ihre Lebensmittel?«
»Sie würden nichts im Dorf bestellen, auch wenn sie ein Telefon hätten. Sie haben Angst, die Leute könnten zuviel über ihre Lebensumstände herausfinden. Sie leben von ihrer Pension und den Eiern der zehn Hennen, die ums Haus herumlaufen. Einmal im Monat gehen sie miteinander zur Hauptstraße, wenn das Postauto kommt, und übergeben dem Postboten schweigend eine Liste und ein bißchen Geld. Am nächsten Tag kommen sie wieder, holen ihre Sachen ab und bezahlen für die Lieferung. Sie unternehmen immer alles zusammen, weil einer dem anderen nicht über den Weg traut. Deshalb lassen sie einander nie aus den Augen.«
»Reden sie denn wenigstens miteinander?«
»Es gibt ein Gerücht, daß sie spätabends, wenn sie sicher sein können, daß niemand mehr vorbeikommt, ein paar Worte miteinander wechseln. Das hat ein Mann behauptet, der einmal nachts in der Nähe ihrer Hütte Opossums gejagt hat. Aber Sie sind jedenfalls der einzige, zu dem sie was gesagt haben.«
»Das lag wohl eher an Christines Kuchen als an meinem Charme. Die Hütte ist schrecklich schmutzig. Ein Wunder, daß sie nicht schon längst an den vielen Bazillen gestorben sind.«
»Mit der Zeit wird man gegen Bazillen immun.«
Malcolm Trent und Adrian wurden die besten Freunde, und Christine verstand sich sehr gut mit Caroline Trent. Der Sohn Craig kam bald nachdem die Medways »Gipfelkreuz« übernommen hatten nach Hause und erwies sich als ebenso sympathisch wie seine Eltern. Nur Jo jammerte, weil Craig schon »vergeben« war. »Noch dazu hat ihn die Tochter dieses Snobs eingefangen«, fügte sie verächtlich hinzu. Sie hatte inzwischen schon eine Menge über Rangimarie und seine Bewohner gehört, denn die Leute in Eldado geizten nicht mit Informationen, und Jo war ebenso erbost über den altmodischen Snobismus dieser arroganten Gesellschaft wie ihre neuen Freunde.
»Du hast Glück, daß deine Farm so groß ist«, sagte Adrian zu Trent. »Sonst könntest du nicht eine Hälfte an deinen Sohn abgeben.«
»Ja, das ist wirklich ein Glück. Wenn er heiratet, kann er sich auf seiner Hälfte ein Haus bauen.«
»Magst du das Mädchen? Jo behauptet, daß Holden ein gräßlicher Snob sei.«
Trent lachte gutmütig. »Nun ja, der alte Holden ist nicht gerade demokratisch gesinnt, aber dafür kann Beth schließlich nichts. Wir mögen sie sehr gern. Sie ist ein nettes Mädchen, kein bißchen hochnäsig, ganz anders als ihre Familie.«
Später erfuhren die Medways, wie die Liebesgeschichte zwischen dem fünfundzwanzigjährigen Craig und der neunzehnjährigen Beth begonnen hatte. Sie hatten sich im dörflichen Laden kennengelernt, und nach drei Begegnungen waren sie ineinander verliebt. Die Verlobung war nicht offiziell, und die Holdens waren strikt dagegen. Eine Heirat ohne den Segen der Familie war fast undenkbar, aber Beth hatte ihren eigenen Willen. Sobald das Haus gebaut war — der Grundstein war bereits gelegt — , würde das Paar heiraten, so oder so. Inzwischen sahen sie sich nur selten, konnten sich nur heimlich treffen, und darüber waren sie beide unglücklich. Craig hatte die Holdens noch nie besucht, und
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