Das Jahr auf dem Lande
sie hatten ihm auch zu verstehen gegeben, daß er in ihrem Haus nicht willkommen sei. »Wir haben uns nie mit den ortsansässigen Farmern abgegeben«, sollte James Holden gesagt haben. »Und wir werden das auch jetzt nicht tun. Beth wird über diese lächerliche Liebe hinwegkommen.«
»Sie ist doch alt genug«, meinte Jo. »Warum verläßt sie ihr Elternhaus nicht und verdient sich irgendwo ihr Geld, bis sie Craig heiraten kann?« Sie vergaß, daß sie selbst noch nie ihren Lebensunterhalt verdient hatte, obwohl man ihr diesbezüglich keine Steine in den Weg gelegt, sondern sie eher ermutigt hatte.
»Das ist nicht so einfach«, sagte Trent. »Sie hat nichts gelernt und war in den zwei Jahren, seit sie die Grundschule verlassen hat, zu Hause. Ihr Vater hat erklärt: >Kein Mädchen aus unserer Familie hat sich jemals selbst ernährt.<«
»Das ist ja wie in der >Forsyte-Saga<. Wieso sind diese Leute so geworden?«
»Keine Ahnung. Natürlich sind die drei Familien, die Holdens, die Severnes und die Sylvesters, miteinander verwandt. Sie haben denselben Hintergrund, also viel Geld. Holdens Mutter lebt bei ihrer Familie und beherrscht den ganzen Haushalt. Die Leute behaupten, sie sei gar nicht so übel. Diese drei Familien sind jedenfalls eine Kolonie für sich und geben sich nicht mit gewöhnlichen Leuten wie unsereins ab.«
»Aber jedes Mädchen müßte doch stolz sein, wenn es in Ihre Familie einheiraten dürfte.«
»Darüber denken die Leute in Rangimarie anders. Craig und ich sind auf die falschen Schulen gegangen — nicht auf Privat-, sondern auf Gemeindeschulen. Alles sehr gewöhnlich, wie Mrs. Holden zweifellos sagen würde.«
»Ich würde die Familie gern kennenlernen, aber unser Vater ist nur Schriftsteller — und nicht mal ein hochgestochener.«
»Sie könnten trotzdem Gnade vor den Augen der Holdens finden. Übrigens, Craig ist hinübergefahren, um Robert beim Zaun zu helfen. Sie gehen sich gegenseitig zur Hand. Ich freue mich, daß sie Freundschaft geschlossen haben.«
Der Alltag war auf »Gipfelkreuz« eingekehrt. Adrian war eine Zeitlang ziellos durch das Haus gestreift und hatte nach einer Periode der Unentschlossenheit versucht, Robert auf der Farm zu helfen, mit katastrophalen Ergebnissen. Schließlich hatte er sich an die Schreibmaschine gesetzt, um einen weiteren seiner Romane zu produzieren — »leichte Unterhaltungslektüre, genau das Richtige für die Ferien«.
Robert stand immer sehr früh auf, da er viel zu tun hatte. Jo half Christine bei der Hausarbeit, wobei sie sich sehr geschickt anstellte und zur Überraschung ihrer Mutter kein einziges Mal jammerte. Danach ging sie meist mit Sheikh auf die Farm, wo ihre Mithilfe wirksamer war als die Adrians, oder sie erforschte auf Rajahs Rücken die Umgebung. Christine blieb zu Hause, legte einen kleinen Garten an und versorgte Adrian in regelmäßigen Abständen mit Tee oder Kaffee.
Bald hatte Jo mit allen Bewohnern von Eldado Freundschaft geschlossen und redete sie beim Vornamen an. Vor allem mit zwei jungen Paaren verstand sie sich sehr gut. Bruce und Mavis Belton besaßen den kleinen Laden, dem das Postamt angeschlossen war, und die Tankstelle mit angegliederter Autowerkstatt gehörte Ted Jackson und seiner FrauMaureen. »Sie ist okay«, sagte Ted. »Zuerst dachte ich, sie ist ein bißchen hochnäsig, als ich sie mit ihrem Pferd und ihrem Hund und ihren Reitstiefeln sah. Aber sie ist genau unser Typ.«
»Sie sieht ein bißchen hochmütig aus, weil sie so schön ist«, meinte seine Frau. »Aber ich finde sie sehr nett.«
Und so war Jo in Gnaden aufgenommen und oft zum Tee bei den Jacksons eingeladen. Natürlich drehte sich das Gespräch oft um Rangimarie, das »Snob-Paradies«, wie es die Leute von Eldado nannten. Sie waren viel toleranter als Jo und erklärten, diese Snobs würden sich eben so benehmen, weil sie gar nicht anders könnten.
»Zuerst dachten wir, du wärst auch so«, sagten sie lachend. Und dann erzählten sie, einer der jungen Männer aus Rangimarie sei wirklich nett, und zwar Lester Severne. »Er hat früher immer mit unseren Jungs Fußball gespielt, obwohl das seiner Familie ganz und gar nicht paßte. Aber Lester tat immer, was er wollte. Er ist einer von uns.«
»Und wo ist dieses Wunderwesen jetzt?« fragte Jo hoffnungsvoll.
»Er ist weggegangen, wie die meisten jungen Leute. Er ging auf irgendeine landwirtschaftliche Hochschule und nahm dann irgendwo einen Job an. Als er genug gespart hatte, machte er eine
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