Das Jahr auf dem Lande
Sheikh, der Dogge. Rajah, der Hengst, schloß schnell Freundschaft mit dem Hund und entschloß sich zu einem gemächlichen Trab, so daß Sheikh nicht allzusehr aus der Puste kam.
»Nun hast du einen Hund und ein Pferd — zumindest für ein Jahr«, sagte Christine.
»Aber ich nehme natürlich beide mit, wenn ich in die Stadt zurückgehe, Christine«, erklärte Jo. »Adrian wird mir einen Platz in einem hübschen Reitstall bezahlen, und Sheikh wird sich auch in unserem Haus wohlfühlen.«
»Dein Vater wird sicher mit allem einverstanden sein, vor allem, wenn du ihn wieder >Daddy< nennst. Aber bis dahin sieh zu, daß du das Beste aus diesem Jahr machst.«
Jo brauchte dazu nicht erst ermutigt zu werden, denn plötzlich interessierte sie sich für alles — für die Farm, für die Tiere, die Robert kaufte, und hauptsächlich für Rajah und Sheikh. Sie schien ihre vielen Freunde und ihr hektisches Leben nicht zu vermissen, auch nicht die Partys und ihre zahlreichen Verehrer. Wie lange würde die Begeisterung anhalten? Es war gut, daß sich ihre Einstellung Adrian gegenüber etwas geändert hatte, seit Christine ihr klargemacht hatte, welche Opfer der Vater brachte, um ihnen allen ein angenehmes Leben zu ermöglichen. Sie sah nun tolerant über seine egozentrischen Anwandlungen hinweg, verstand auch, daß er Ruhe brauchte, wenn er arbeiten wollte. Es fiel ihr um so leichter, seine Wünsche zu respektieren, da sie meist mit Robert auf den Feldern war oder auf der stillen Straße nach Eldado ritt, mit dessen wenigen Bewohnern sie Freundschaft geschlossen hatte. Die Männer fanden sie »bildschön«, und die Frauen meinten, daß sie »kein bißchen hochnäsig« sei.
Aber es war Adrian, der in gesellschaftlicher Hinsicht einen ernsthaften Vorstoß wagte. Er fragte Malcolm Trent nach den beiden alten Männern aus, die in der primitiven Hütte bei der Abzweigung lebten. »Sie heißen Mark und Luke«, erwiderte Trent. »Sie haben keinen Kontakt mit der hiesigen Bevölkerung, und sie wollen auch keinen.« Doch Adrian ließ sich dadurch nicht einschüchtern. Eines Morgens erklärte er, daß er seinen nächsten Nachbarn die Hand zur Freundschaft reichen wolle.
»Wahrscheinlich werden sie die Hand ausschlagen«, meinte seine Tochter. »Wir haben die beiden schon gesehen. Als wir erst ein paar Tage hier waren, entdeckten wir zwei unheimliche kleine Gestalten, die ums Haus schlichen und durch die Fenster spähten. Wir errieten, wer die beiden waren, und so ging ich hinaus und lud sie zum Tee ein. Sie gaben keine Antwort, sondern verschwanden im Gebüsch wie zwei verängstigte Hasen. Das war alles, was wir von ihnen gesehen haben, aber es hat uns genügt. Sie sind verrückt und furchtbar schmutzig.«
»Vielleicht inspirieren sie mich zu einem neuen Roman«, sagte Adrian nachdenklich. Mit einem Kuchen und einem Topf voller Suppe bewaffnet, machte er sich auf den Weg. Die Hütte war schrecklich vernachlässigt und starrte vor Schmutz. Niemand rührte sich, als er an die Tür klopfte, aber er klopfte beharrlich weiter. Nach einer Weile erschien ein zerzauster kleiner Kopf im Türspalt. Adrian hielt den Kuchen und den Suppentopf hoch und sagte mit dem Lächeln, das ihm schon so viele Freunde gewonnen hatte: »Ich bin Ihr neuer Nachbar und wollte mich mal vorstellen.«
Die Tür öffnete sich weit genug, so daß eine Hand hervorschnellen und nach den Geschenken grapschen konnte, aber Adrian stellte einen Fuß in den Türspalt und erzwang sich mehr oder weniger seinen Eintritt. Er bahnte sich einen Weg zwischen einer Masse von Tieren, Töpfen und Brennholz hindurch, bis zu einem riesigen Herd, in dem ein winziges Feuer brannte. Der Schornstein bestand aus Eisenblech. Trent hatte Adrian erzählt, daß dieses Feuer nie ausgehen dürfe. Der Raum war unbeschreiblich schmutzig. Vor dem Feuer schlief ein alter Hund, ein paar Katzen streiften umher, in jeder Ecke lagen Kleidungsstücke. Die beiden Männer sahen wie Gnome aus, waren kaum voneinander zu unterscheiden und sagten kein Wort. Adrian bemühte sich, die Katze zu ignorieren, die auf den Tisch gesprungen war und Christines ausgezeichnete Suppe verschlang, auch den alten Hund, der sich nun erhob und nach dem Kuchen schnappte.
Die Hütte bestand aus zwei Räumen; durch eine offene Tür konnte Adrian zwei zerwühlte Betten sehen, neben denen schwarze Decken auf dem Boden lagen. Auf dem Fenstersims stand ein relativ hübscher Hahn. Zwei weitere Katzen tauchten aus dem Nebenzimmer auf, und
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