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Das Jahr der Flut

Das Jahr der Flut

Titel: Das Jahr der Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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Zusammen mit Amanda. Da waren wir also in unseren flamingorosa und pfaureihergrünen Kostümen und unseren frisch lackierten Nägeln auf der Bühne vom Scales, tanzten zusammen bei voller Lautstärke, wummp wummp babadedump, bam bam kabam, und sangen laut mit, als hätten wir keinerlei Sorgen.
    Dann war das Lied zu Ende, und jemand applaudierte. Wie vom Donner gerührt, standen wir da. Ein kalter Schauer schoss durch meinen ganzen Körper: Blitzartig sah ich wieder Feuerblüte mit dem Kopf im Trapezseil und der Flasche zwischen den Beinen, und ich rang nach Luft.
    Drei Typen hatten den Raum betreten − sie mussten sich vorsichtig reingeschlichen haben −, und da standen sie nun. »Nicht weglaufen«, sagte Amanda mit leiser Stimme zu mir. Dann sagte sie: »Lebt ihr, oder seid ihr tot?« Sie lächelte. »Falls ihr lebt, vielleicht können wir euch was zu trinken anbieten?«
    »Schöner Tanz«, sagte der Größte. »Wieso hat euch die Grippe nicht erwischt?«
    »Hat sie ja vielleicht«, sagte Amanda. »Vielleicht sind wir infiziert und wissen’s nur noch nicht. Ich dreh jetzt mal die Bühnenlichter, damit wir euch sehen können.«
    »Ist hier sonst noch jemand?«, sagte der Größte. »Irgendwelche anderen Typen?«
    »Nicht dass ich wüsste«, sagte Amanda. Sie hatte die Lichter gedimmt. »Nimm dein Gesicht ab«, sagte sie zu mir. Sie meinte die grünen Pailletten, den Biostrumpf. Sie ging das Treppchen von der Bühne runter. »Wir haben noch etwas Scotch, wir können euch aber auch Kaffee machen.« Sie schälte ihr eigenes Kopfteil vom Gesicht, und ich wusste, was sie dachte: Blickkontakt herstellen, wie wir es bei Zeb gelernt hatten. Nicht umdrehen, sonst sind die Chancen groß, dass ihr von hinten überfallen werdet. Und je weniger wir wie glitzernde Vögel aussahen, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass wir zerfleischt wurden.
    Jetzt konnte ich die drei etwas besser erkennen. Ein großer Mann, ein kleinerer und noch ein großer. Sie trugen Tarnanzüge, und zwar extrem dreckige Tarnanzüge, und sie sahen aus, als wären sie zu lange in der Sonne gewesen. In der Sonne, im Regen, im Wind.
    Da ging mir ein Licht auf. »Shackie?«, fragte ich. »Shackie! Amanda, das sind Shackie und Croze!«
    Der Große drehte mir sein Gesicht entgegen. »Wer seid ihr, verdammt nochmal?«, fragte er. Nicht wütend, nur irgendwie fassungslos.
    »Ich bin’s, Ren!«, sagte ich. »Ist das der kleine Oates?« Mir kamen die Tränen.
    Wir alle rückten aufeinander zu wie eine Footballmannschaft vor Spielbeginn, und dann fielen wir uns in die Arme. Wir umarmten und umarmten uns und hielten uns fest.
    *
    In der Tiefkühltruhe war noch orangefarbener Saft, und Amanda mixte uns mit dem Rest Champagner ein paar Mimosas zusammen. Wir öffneten eine Dose gesalzene Sojanüsse und machten in der Mikrowelle eine Packung Fisch-Ersatz warm, und dann setzten wir uns zu fünft an die Bar. Die drei Jungs − für mich waren sie immer noch Jungs − inhalierten das Essen förmlich. Amanda bestand darauf, dass sie erst etwas Wasser tranken, aber nicht zu schnell.
    Verhungert waren sie zwar nicht − sie waren in Supermärkte und Häuser eingebrochen und hatten sich von dem ernährt, was sie auflesen konnten, und sie hatten sogar ein paar Kaninchen mit der Schlinge gefangen und das Fleisch gebraten, genau wie damals bei den Gärtnern in der Sankt-Euell-Woche. Trotzdem waren sie ziemlich dünn.
    Dann erzählten wir uns, wo wir gewesen waren, als die wasserlose Flut ausbrach. Ich erzählte von der Klebezone und Amanda erzählte von den Rinderknochen in Wisconsin. Wir beide hätten unverschämtes Glück gehabt, sagte ich, dass wir nicht unter Menschen waren, als die Sache losging. Wobei Adam Eins immer sagte, Glück sei niemals unverschämt, denn Glück sei einfach nur ein anderes Wort für Wunder.
    Shackie, Croze und Oates hätte es fast erwischt. Sie waren in der Painball-Arena gewesen. Wir waren die Roten, sagte Oates und zeigte mir sein Daumentattoo; anscheinend war er stolz darauf. »Wir sind reingekommen wegen der Sachen, die wir gemacht haben«, sagte Shackie. »Zusammen mit MaddAddam.«
    »MaddAdam?«, fragte ich. »Wie Zeb von den Gärtnern?«
    »Nicht nur Zeb. Wir waren zu mehreren − er und wir und noch ein paar andere«, sagte Shackie. »Wichtige Wissenschaftler − Genspleißer, die von ihrem Konzern abgehauen sind und untertauchen mussten, weil sie dagegen waren, was die Konzerne für Dinger drehten. Rebecca und Katuro waren auch dabei −

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