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Das Jahr der Flut

Das Jahr der Flut

Titel: Das Jahr der Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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Elfenbeinspecht zu Croze. »Als du gerade los bist, um die Schafe zu holen. Zwei Typen mit einer Frau, einem Spraygewehr und einem toten Wakunk.«
    »Echt«, sagt Croze. »Großes Kino.«
    »Sie sagten, sie wären im Painball gewesen, als sollten wir ihnen Respekt dafür zollen«, sagt Beluga. »Sie wollten die Frau gegen Spraygunbatterien und Schafsfleisch eintauschen − die Frau und den Wakunk.«
    »Ich wette, das waren dieselben, die sich unser lila Mo’Hairschaf geschnappt haben«, sagt Croze. »Toby hat die Beine gefunden.«
    »Was sollen wir denn mit einem Wakunk?«, sagt Weiße Segge entrüstet. »Als wären wir am Verhungern!«
    »Wir hätten sie erschießen sollen«, sagt Manatee. »Aber sie benutzten die Frau als menschliches Schutzschild.«
    »Was hatte sie an?«, frage ich, aber sie ignorieren mich einfach.
    »Wir haben gesagt, wir tauschen nicht«, sagt Elfenbeinspecht. »Pech für das Mädchen. Aber sie brauchten dringend Batterien, das heißt, ihre Munition wird knapp. Also kümmern wir uns später drum.«
    »Das ist Amanda«, sage ich. Sie hätten sie retten können. Obwohl ich ihnen nicht vorwerfen konnte, nicht getauscht zu haben: Man verteilt keine Spraygewehrbatterien, um sich dann damit erschießen zu lassen. »Was ist mit Amanda?«, sage ich. »Sollen wir nicht los und sie holen?«
    »Stimmt − wir müssen die Leute wieder einsammeln, jetzt, wo die Flut vorbei ist«, sagt Croze. »Haben wir doch immer gesagt.« Er will mich unterstützen.
    »Dann können wir damit anfangen, na ja, eine neue Gesellschaft aufzubauen«, sage ich. Ich weiß, es hört sich blöd an, aber was anderes fällt mir gerade nicht ein. »Amanda könnte uns total dabei helfen − sie kann einfach alles.« Aber sie lächeln mich nur traurig an, als wäre ihnen klar, dass es sinnlos ist.
    Croze nimmt meine Hand und zieht mich von der Gruppe weg. »Meinst du das ernst?«, sagt er. »Das mit der neuen Gesellschaft?« Er lächelt. »Dann müsstest du aber Kinder bekommen.«
    »Vielleicht noch nicht jetzt«, sage ich.
    »Komm«, sagt er. »Ich zeige dir den Garten.«
    Es gibt ein Küchenhaus, und drüben in der Ecke stehen ein paar portable violette Bioletten und ein Solar, der gerade repariert wird. Ersatzteile gibt es für ungefähr alles in rauen Mengen in den Plebs, wobei man aufpassen muss, dass einem nicht die Gebäude auf den Kopf fallen. Hinter dem Haus ist der Gemüsegarten: Besonders viel gepflanzt haben sie noch nicht. »Wir werden immer wieder von Schweinen überfallen«, sagt er. »Die graben sich unter dem Zaun durch. Eins haben wir erschossen, vielleicht haben’s die anderen ja jetzt kapiert. Zeb sagt, es sind Superschweine, weil sie mit menschlichem Hirngewebe gespleißt sind.«
    »Zeb?«, frage ich. »Ist Zeb noch am Leben?« Auf einmal ist mir schwindlig. Diese vielen Toten, die plötzlich wieder auferstehen − es ist alles ein bisschen viel auf einmal.
    »Na logisch«, sagt Croze. »Alles okay mit dir?« Er legt mir den Arm um die Schulter, damit ich nicht falle.
     
    72.
Toby. Sankt Rachel und Allervögel, Jahr Fünfundzwanzig
     
    Ren und Crozier sind hinter dem Lehmhaus davongeschlendert. Sollen sie ruhig, denkt Toby. Bestimmt haben sie sich gerade ineinander verliebt. Sie erzählt Elfenbeinspecht von dem dritten Mann − dem Toten. Blanco. Er spitzt die Ohren. »Seuche?«, fragt er. »Infizierte Schusswunde«, sagt sie. Schlafmohn und Todesengel spart sie aus.
    Mitten im Gespräch kommt eine andere Frau hinter dem Haus hervor. »Hey, Toby«, sagt sie. Rebecca. Älter, weniger füllig, aber es ist Rebecca. Unverwüstlich. Sie ergreift Tobys Schultern. »Du bist zu dünn, Süße«, sagt sie. »Aber egal. Wir haben Speck. Da kriegst du was auf die Rippen.«
    Speck hat im Moment nichts Greifbares für Toby. »Rebecca«, sagt sie. Warum bist du am Leben?, möchte sie hinzufügen, aber die Frage wird zunehmend sinnlos. Warum sind so viele von ihnen noch am Leben? Also sagt sie einfach nur: »Wunderbar.«
    »Zeb hat immer gesagt, du schaffst es. Hat er immer gesagt. Hey. Lach doch mal.«
    Die Vergangenheitsform hört sich nicht gut an, findet Toby. Klingt nach Sterbebett. »Wann hat er das gesagt?«, fragt sie.
    »Ach, das sagt er jeden Tag. Jetzt komm mit in die Küche, iss was. Erzähl, wo hast du die ganze Zeit gesteckt?«
    Also ist Zeb am Leben, denkt Toby. Jetzt, wo es wahr ist, hat sie das Gefühl, sie habe es die ganze Zeit gewusst, und zweifelt immer noch daran − es wird erst dann Wirklichkeit, wenn

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