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Das Jahr der Flut

Das Jahr der Flut

Titel: Das Jahr der Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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Gewicht auf sie fallen lassen und ihr unter den Rock gefasst, schnaufend wie eine defekte Pumpe. Aber von dem vielen Erdeschleppen und Treppensteigen war sie kräftig geworden, und Mugi war nicht mehr der Fitteste, und sie hatte ihm den Ellenbogen in den Leib gerammt und ihn weggestemmt, worauf er flach und keuchend auf dem Fußboden zurückgeblieben war.
    Sie hatte Pilar davon erzählt, wie sie inzwischen mit allem Verwirrenden zu ihr ging. »Was soll ich denn jetzt machen?«, fragte sie.
    »Über solche Dinge regen wir uns hier nicht auf«, sagte Pilar. »Mugi meint es eigentlich nicht böse. Dasselbe hat er bei einigen von uns schon versucht − sogar bei mir, vor ein paar Jahren.« Sie stieß ein sprödes Kichern aus. »Kann doch jedem mal passieren, dass der alte Australopithecus durchbricht. Du musst ihm in deinem Herzen vergeben. Du wirst sehen, er wird es nicht wieder tun.«
    So viel also zum Thema Sex. Vielleicht ist es ja nur vorübergehend, dachte Toby. Vielleicht ist es so, wie wenn einem der Arm einschläft. Meine neuralen Verbindungen für Sex sind blockiert. Nur − warum ist mir das so egal?
    *
    Es war nachmittags an Sankt Maria Sibylla Merian, Schutzpatronin der Insektenmetamorphose, angeblich ein günstiger Zeitpunkt für die Imkerei. Toby und Pilar waren bei der Arbeit. Sie trugen ihre breitkrempigen Hüte mit dem Schleier, für den Rauch benutzten sie einen Blasebalg und ein morsches Stück Holz.
    »Leben deine Eltern eigentlich noch?«, fragte Pilar hinter ihrem weißen Schleier.
    Die Frage überraschte Toby, für Gärtnerverhältnisse war sie ungewöhnlich direkt. Aber Pilar fragte so etwas nicht grundlos. Toby konnte sich nicht überwinden, von ihrem Vater zu erzählen, also schilderte sie Pilar stattdessen die Sache mit der seltsamen Krankheit ihrer Mutter. Das Eigenartige daran, sagte sie, sei gewesen, dass ihre Mutter extrem gesundheitsbewusst gelebt und bestimmt die Hälfte ihres Gewichts an Vitaminpräparaten geschluckt habe.
    »Sag mal«, sagte Pilar. »Was für Präparate hat sie denn geschluckt?«
    »Sie hatte einen HelthWyzer-Laden, also solche.« »HelthWyzer«, sagte Pilar. »Ja. Das ist uns auch schon zu Ohren gekommen.«
    »Was ist euch zu Ohren gekommen?«
    »Diese Art von Krankheit in Verbindung mit solchen Präparaten. Kein Wunder, dass die HelthWyzer-Leute deine Mutter unbedingt selbst behandeln wollten.«
    »Was willst du denn damit sagen?«, sagte Toby. Sie fröstelte trotz der heißen Morgensonne.
    »Ist dir schon mal in den Sinn gekommen, meine Liebe«, sagte Pilar, »dass deine Mutter vielleicht ein Versuchskaninchen war?«
    Es war Toby noch nicht in den Sinn gekommen, aber dafür kam es ihr jetzt in den Sinn. »Gewundert habe ich mich damals schon«, sagte sie. »Nicht wegen der Pillen, aber … ich hatte den Bauunternehmer im Verdacht, der Papas Land haben wollte. Ich hatte überlegt, ob er irgendwas in den Brunnen getan hat.«
    »Dann wärt ihr alle krank geworden«, sagte Pilar. »Jetzt versprich mir, dass du niemals eine Konzernpille schluckst. Kauf dir niemals solche Pillen und nimm auch niemals solche Pillen an, wenn man sie dir anbietet, egal, was dir die Leute erzählen. Sie werden Informationen und Wissenschaftler zitieren; sie werden Ärzte zitieren − was überhaupt nichts zu sagen hat, denn die sind alle gekauft.«
    »Aber doch nicht alle!«, sagte Toby, bestürzt über Pilars heftige Reaktion. Sie war sonst immer so gelassen.
    »Nein«, sagte Pilar. »Nicht alle. Aber alle, die noch immer mit einem der Konzerne zusammenarbeiten. Die anderen − einige sind unerwartet gestorben. Aber diejenigen, die noch am Leben sind, die noch einen Rest Medizinerehre im Leib haben …« Sie hielt inne. »Es gibt sie schon noch, solche Ärzte. Aber nicht bei den Konzernen.«
    »Wo sind sie?«, fragte Toby.
    »Ein paar sind hier bei uns«, sagte Pilar. Sie lächelte. »Katuro war Internist. Er ist jetzt unser Klempner. Surya war Augenärztin. Stuart war Onkologe, Marushka war Gynäkologin.«
    »Und die anderen Ärzte? Wenn sie nicht hier sind?«
    »Sagen wir einfach, sie sind anderswo in Sicherheit«, sagte Pilar. »Fürs Erste. Aber jetzt musst du mir etwas versprechen: Diese Konzernpillen sind die Nahrung der Toten. Nicht unserer Art von Toten, sondern der schlimmen Toten. Der Toten, die noch am Leben sind. Wir müssen den Kindern beibringen, von diesen Pillen die Finger zu lassen − sie sind böse. Das ist nicht nur eine Glaubensfrage, das steht außer Zweifel.«
    »Aber

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