Das Jahr der Flut
schüttelte.
»Und wie wär’s mit mir?«, sagte Zeb zu ihm.
»Ich glaube, sie sollte es selbst sein«, sagte der Junge.
»Amanda und Ren bringen dich rüber«, sagte Zeb.
»Und was ist mit dem Essigstand?«, fragte ich. »Nuala musste weg.«
»Ich hab so lange ein Auge drauf«, sagte Zeb. »Das hier ist Glenn. Passt gut auf ihn auf. Lass dich von den beiden nicht fressen«, sagte er zu Glenn.
Wir gingen durch die Plebsstraßen in Richtung Felsen Eden. »Woher kennst du Zeb?«, fragte Amanda.
»Ach, von früher noch«, sagte der Junge. Er war nicht sehr gesprächig. Er wollte nicht mal neben uns hergehen: Nach einem Block fiel er ein paar Schritte zurück.
Wir erreichten das Gärtnerhaus und nahmen die Feuertreppe nach oben. Philo der Smog und Katuro der Klempner waren oben − es war immer jemand da, falls sich irgendwelche Plebsratten ins Haus schleichen wollten. Katuro reparierte gerade einen Gartenschlauch; Philo lächelte einfach nur.
»Wen haben wir denn da?«, sagte Katuro, als er den Jungen sah.
»Wir sollten ihn herbringen, sagte Zeb«, sagte Amanda. »Er will mit Pilar sprechen.«
Katuro nickte und deutete nach hinten. »Brachhütte.«
Pilar lag in einem Liegestuhl. Daneben war ihr Schachspiel aufgebaut, alle Figuren an ihrem Platz: Sie hatte nicht gespielt. Sie sah überhaupt nicht gut aus − irgendwie eingefallen. Sie lag mit geschlossenen Augen da, sah aber auf, als sie uns kommen hörte. »Willkommen, mein lieber Glenn«, sagte sie, als hätte sie ihn erwartet. »Ich hoffe, es ging alles glatt.«
»Ging alles glatt«, sagte der Junge. Er holte das Glas hervor. »Ist nicht gut«, sagte er.
»Alles ist gut«, sagte Pilar. »Aus der größeren Perspektive. Amanda, Ren, holt ihr mir bitte ein Glas Wasser?«
»Ich geh schon« sagte ich.
»Beide«, sagte Pilar. »Bitte.«
Sie wollte uns nicht dabeihaben. So langsam wie möglich verließen wir die Genesungshütte. Ich hätte zu gern gelauscht − es ging dabei bestimmt nicht um Honig. Pilars Aussehen machte mir Angst.
»Das ist kein Plebsler«, flüsterte Amanda. »Das ist ’n Komplexler.«
Das hatte ich mir zwar schon gedacht, fragte aber trotzdem: »Woher weißt du das so genau?« In den Komplexen wohnten die Konzernleute − die ganzen Geschäftsleute und Wissenschaftler, von denen Adam Eins immer behauptete, sie würden die alten Arten zerstören und lauter neue erfinden und die ganze Welt ruinieren, obwohl ich mir das von meinem richtigen Vater bei HelthWyzer gar nicht vorstellen konnte; auf jeden Fall fragte ich mich, wie Pilar dazu kam, jemanden von dort auch nur zu grüßen.
»Hab ich einfach im Gefühl«, sagte Amanda.
Als wir mit dem Glas Wasser zurückkamen, hatte Pilar wieder die Augen geschlossen. Der Junge saß neben ihr; er hatte ein paar ihrer Schachfiguren verschoben. Die weiße Königin war umzingelt: noch einen Zug, und das wär’s gewesen.
»Danke«, sagte Pilar und nahm Amanda das Glas aus der Hand. »Und dir danke ich für deinen Besuch, lieber Glenn«, sagte sie zu dem Jungen.
Er stand auf.
»Also dann, auf Wiedersehen«, sagte er unbeholfen, und Pilar lächelte ihm zu. Ihr Lächeln war hell, aber schwach. Ich hätte sie gern umarmt, aber sie sah so klein und zerbrechlich aus.
Auf dem Weg zurück zum Baum des Lebens ging Glenn neben uns her. »Sie hat irgendwas richtig Schlimmes«, fragte Amanda. »Stimmt’s?«
»Krankheit ist ein Fehler im Bauplan«, sagte der Junge. »Er könnte korrigiert werden.« Komplexler − ganz klar. So redeten nur die Superchecker von dort: einem die Frage nur so indirekt zu beantworten und dann irgendwas Allgemeines zu sagen und so zu tun, als hätten sie die Weisheit mit Löffeln gefressen. Hatte mein richtiger Vater auch immer so geredet? Vielleicht.
»Das heißt, wenn du die Welt nochmal erschaffen müsstest, würdest du alles viel besser machen, ja?«, fragte ich. Besser als Gott, war das, was ich meinte. Auf einmal fühlte ich mich genauso fromm wie Bernice. Wie ein Gärtner eben.
»Wenn du’s genau wissen willst«, sagte er. »Ja.«
29.
Am nächsten Tag gingen wir wie immer am Buenavista-Haus vorbei, um Bernice abzuholen. Ich glaube, wir schämten uns beide ein bisschen wegen der Sache vom Vortag − ich zumindest. Aber als wir an die Tür klopften und »Klopf, klopf« sagten, sagte Bernice nicht »Wer ist da?«. Sie sagte überhaupt nichts.
»Gang ist hier«, rief Amanda. »Ganggrün!« Immer noch nichts. Ich konnte ihr Schweigen förmlich spüren.
»Mach
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