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Das Jahr der Flut

Das Jahr der Flut

Titel: Das Jahr der Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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haben, und auch das mit dem Achselhöhlengegrapsche, und da war Veena wahrscheinlich so eifersüchtig oder wütend geworden, dass sie sich mit dem CorpSeCorps in Verbindung gesetzt und ihn angezeigt hatte. Das CorpSeCorps ermutigte die Leute ja dazu − also Nachbarn und Familienmitglieder zu melden. Manchmal gab es dafür sogar Geld, sagte Amanda.
    Es war doch alles nicht böse gemeint gewesen, zumindest nicht so böse. Und jetzt das.
    Ich fand, dass wir eigentlich zu Adam Eins gehen und ihm alles erzählen müssten, aber Amanda meinte, es würde die Sache nicht besser machen und wir hätten dann nur noch mehr Ärger am Hals. Sie hatte recht. Aber dadurch fühlte ich mich auch nicht besser.
    »Na komm«, sagte Amanda. »Ich filz dir was Schönes. Was willst’n haben?«
    »Ein Handy«, sagte ich. »In lila. So wie deins.«
    »Alles klar«, sagte Amanda. »Kümmer ich mich drum.«
    »Das ist nett von dir«, sagte ich. Ich versuchte, sehr viel Energie in meine Stimme zu legen, um ihr meine Dankbarkeit zu zeigen, aber sie merkte trotzdem, dass es nur gespielt war.
     
    30.
     
    Am nächsten Tag verkündete Amanda, sie hätte eine Überraschung für mich, die mich garantiert auf andere Gedanken bringen würde. Sie sei in der Sinkhole-Passage, sagte sie. Und es war wirklich eine Überraschung, denn als wir in die Passage kamen, lungerten Shackie und Croze vor dem kaputten Holoautomaten rum. Ich wusste, dass alle beide in Amanda verliebt waren − wie alle Jungs −, obwohl sie nie was mit ihnen unternahm außer in der Gruppe.
    »Habt ihr’s dabei?«, fragte sie. Die beiden grinsten schüchtern. Shackie war inzwischen ziemlich in die Höhe geschossen: Er war groß und schlaksig, mit dunklen Augenbrauen. Croze war auch gewachsen, aber sowohl nach oben als auch in die Breite; er hatte strohblonden Flaum im Gesicht. Früher hatte ich nie groß über das Äußere der beiden nachgedacht, aber auf einmal sah ich sie in anderem Licht.
    »Hier drin«, sagten sie. Ängstlich wirkten sie nicht gerade, aber wachsam. Sie sahen sich um, ob wir unbeobachtet waren, dann quetschten wir uns in den Automaten, der früher mal Holobilder von den Leuten in die Passage spuckte. Er war nur für zwei Personen gedacht, also standen wir sehr gedrängt.
    Es war heiß da drin. Ich spürte unsere Körperwärme, als wären wir krank und hätten total hohes Fieber, und ich atmete den Geruch von getrocknetem Schweiß und alter Baumwolle und Dreck und fettiger Kopfhaut ein, der von Shackie und Croze ausging – der von uns allen ausging -, zusammen mit diesem Ältere-Jungs-Geruch, einer Mischung aus Pilzen und Weinresten, und Amandas blumigem Duft mit einem Hauch Moschus und einer Spur Blut.
    Wie ich für die anderen roch, konnte ich nicht sagen. Es heißt immer, den eigenen Körpergeruch nehme man nicht wahr, weil man ihn gewohnt ist. Ich wünschte, ich hätte vorher von dieser Überraschung gewusst, dann hätte ich einen meiner versteckten Seifenreste benutzt. Ich konnte nur hoffen, dass ich nicht nach dreckiger Unterwäsche oder Käsefüßen roch.
    Wie kommt es, dass wir von anderen immer gemocht werden wollen, selbst wenn sie uns gar nicht so wichtig sind? Ich weiß nicht, wieso, aber es stimmt. Ich stand da und atmete diese ganzen Gerüche ein und hoffte so sehr, dass Shackie und Croze mich hübsch fanden.
    »Hier«, sagte Shackie. Er zog ein Stück Stoff hervor, in dem etwas eingewickelt war.
    »Was ist das?«, fragte ich. Ich hörte meine eigene Stimme: ein mädchenhaftes Quieken.
    »Das ist die Überraschung«, sagte Amanda. »Die beiden haben uns was von dem Superkraut besorgt. Das Zeug von Burts Anbau.«
    »Echt wahr?«, sagte ich. »Habt ihr’s dem CorpSeCorps abgekauft?«
    »Gefilzt«, sagte Shackie. »Wir haben uns von hinten ins Buenavista reingeschlichen − haben wir schon total oft gemacht. Die CorpSeCorps-Typen sind die ganze Zeit vorne rein und raus, haben die null mitgekriegt.«
    »An einem der Kellerfenster sind ein paar Stangen locker − da sind wir immer durch und haben im Treppenhaus Party gemacht«, sagte Croze.
    »Die haben das Zeug säckeweise im Keller abgestellt«, sagte Shackie. »Die müssen die ganzen Anbauräume abgeerntet haben. Hat einen schon beim Atmen total weggeblasen.«
    »Zeig mal«, sagte Amanda. Shackie öffnete das Stück Stoff: getrocknete und klein gehackte Blätter.
    Ich wusste ja, wie Amanda zu Drogen stand: Man hatte keine Kontrolle mehr über seinen Kopf, und das war riskant, weil man sich damit

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