Das Jahr der Flut
anderen Leuten auslieferte. Außerdem konnte es passieren, dass man zu viel nahm wie Philo der Smog, und dann hatte man am Ende überhaupt keinen nennenswerten Kopf mehr, und dann würde es keinen mehr kümmern, ob man noch die Kontrolle hatte oder nicht. Man sollte nur zusammen mit Leuten was rauchen, denen man vertrauen konnte. Konnte sie Shackie und Croze vertrauen?
»Hast du das schon mal ausprobiert?«, flüsterte ich Amanda zu.
»Noch nicht«, flüsterte Amanda zurück. Warum flüsterten wir eigentlich? So gedrängt, wie wir standen, konnten Shackie und Croze ohnehin alles hören.
»Dann will ich nicht«, sagte ich.
»Ich hab aber extra getauscht!«, sagte Amanda heftig. »Ganz viel getauscht!«
»Ich hab das Zeug schon mal geraucht«, sagte Shackie. Das Wort
Zeug
betonte er so hart wie möglich. »Es ist
total
geil
!«
»Ich auch, du hast echt das Gefühl, du hebst ab«, sagte Croze. »Wie ’n Vogel, Leute.« Shackie hatte die klein gehackten Blätter schon eingerollt, den Joint angezündet und den ersten Zug getan.
Irgendeiner hatte die Hand auf meinem Hintern, keine Ahnung, wer. Die Hand rutschte weiter hoch und bahnte sich einen Weg unter mein Gärtnerkleid. Ich wollte protestieren, sagte aber nichts.
»Probier’s doch einfach mal«, sagte Shackie. Er packte mein Kinn, drückte seinen Mund auf meinen Mund und blies mir den ganzen Rauch in die Lunge. Ich musste husten, er wiederholte das Ganze, und mir wurde total schwindlig. Dann hatte ich ein blendendes, leuchtend grelles, fluoreszierendes Bild des Kaninchens vor Augen, das wir diese Woche gegessen hatten. Es starrte mich mit seinen toten Augen wütend an, nur dass die Augen orange waren.
»Das war zu viel«, sagte Amanda. »Sie ist es nicht gewohnt.«
Dann wurde mir schlecht, und ich musste kotzen. Haben wohl alle was abgekriegt. Oh nein, dachte ich, ich Vollidiot. Ich weiß nicht, wie lange das alles dauerte, weil die Zeit wie aus Gummi war, sie dehnte sich aus wie ein sehr, sehr langes Gummiseil oder ein riesiges Stück Kaugummi. Dann zog sie sich ganz plötzlich zu einem kleinen schwarzen Quadrat zusammen, und ich fiel in Ohnmacht.
*
Als ich zu mir kam, lehnte ich mit dem Rücken an dem kaputten Brunnen in der Passage. Mir war immer noch schwindlig, aber nicht mehr schlecht: Es war eher wie ein Schweben. Alles schien sehr weit weg und durchscheinend. Vielleicht kann ich durch den Beton fassen, dachte ich. Vielleicht ist alles aus Spitze − gesprenkelt, und in jedem Zwischenraum sitzt Gott, genau wie Adam Eins immer sagt. Vielleicht bin ich aus Rauch.
Das Schaufenster gegenüber war wie eine Kiste Glühwürmchen, wie lebende Pailletten. Da wurde gefeiert, ich hörte die Musik. Ein seltsames Geklimper. Eine Schmetterlingsparty: Die Leute tanzten bestimmt auf dünnen Schmetterlingsbeinen. Wenn ich nur aufstehen könnte, dachte ich, dann könnte ich mittanzen.
Amanda hatte mir den Arm um die Schulter gelegt. »Es ist alles okay«, sagte sie. »Alles gut.«
Shackie und Croze waren immer noch da, und sie klangen genervt. Oder Croze war genervt, mehr als Shackie, denn Shackie war fast genauso geflasht wie ich.
»Und, wann zahlst du zurück?«, fragte Croze.
»Hat ja nicht geklappt«, sagte Amanda. »Also nie.«
»Das war aber nicht der Tausch«, sagte Croze. »Der Tausch war, wir bringen das Zeug. Wir haben’s gebracht. Also schuldest du uns was.«
»Der Tausch war, Ren wird wieder glücklich«, sagte Amanda. »Ist aber nicht passiert. Also war’s das.«
»Vergiss es«, sagte Croze. »Du schuldest uns was. Also zahl’s zurück.«
»Glaubst du, du kannst mich zwingen?«, sagte Amanda. Ihre Stimme hatte denselben schneidenden Unterton, wie wenn ihr eine Plebsratte zu nahe kam.
»Is doch egal«, sagte Shackie. »Dann irgendwann halt.« Er schien da ziemlich entspannt.
»Ihr schuldet uns zweimal Ficken«, sagte Croze. »Jeder einmal. Das war total riskant, die hätten uns abknallen können!«
»Lass sie in Ruhe«, sagte Shackie. »Ich will nur deine Haare anfassen«, sagte er zu Amanda. »Du riechst nach Karamell.« Er war immer noch total verstrahlt.
»Verpisst euch«, sagte Amanda. Und das taten sie dann wohl, denn als ich das nächste Mal nach ihnen Ausschau hielt, waren sie nicht mehr da.
Ich fühlte mich schon wieder normaler. »Amanda«, sagte ich. »Ich glaub’s ja gar nicht, dass du mit denen getauscht hast.« Ich wollte sagen, wegen mir, hatte aber Angst, dass ich dann losheulen würde.
»Sorry, dass es nicht geklappt
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