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Das Jahr der Kraniche - Roman

Das Jahr der Kraniche - Roman

Titel: Das Jahr der Kraniche - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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ersten Blick in das große Eckzimmer verliebt. »Ein bisschen Farbe, ein Sofa, ein Schreibtisch, mehr braucht es nicht.«
    Sie hatte sich sofort Farbe besorgt und an einem Wochenende erst die verblassten Tapeten abgezogen und die Wände dann in Hellgrün gestrichen. Im Internet hatte sie einen kleinen, grünen Schreibtisch gefunden, den sie zwischen die beiden Eckzimmer gestellt hatte. Das Sofa stammte aus einem kleinen Trödelladen in Schwerin. Sie hatte es in einem leuchtenden Pink beziehen lassen, das in fröhlichem Gegensatz zu dem Grün der Wände und dem dunklen Braun des Eichenbodens gestanden hatte. Würde das Kind sich hier wohl fühlen? Wieso nicht?, versuchte er sich zu beruhigen. Es weiß nicht, was hier geschehen ist. Aber würde es nicht spüren, wie schwer ihm das Herz wurde, wenn er hier war?
    Er öffnete die Fenster. Der Nachtwind wehte herein. Ende August brachte er schon die Kühle des Sees herüber. Jan stellte sich ans Fenster. Es war ihm, als würde Julias Präsenz immer geringer, als würde der Wind alle unguten Schwingungen aus dem Fenster tragen. Er war entschlossen, dieses schönste Zimmer im ganzen Haus nicht mehr leer stehen zu lassen. Sein Kind sollte hier einziehen, ja. Es würde jede Erinnerung an das, was einmal hier geschehen war, verdrängen.
    Laura lag im Bett. Der Schlaf wollte heute nicht kommen. Zwar hatten die Magenschmerzen im Lauf des Nachmittags aufgehört, Elkes Zaubertrank sei Dank. Aber sie verlor sich nun in Grübeleien über den Namen, den sie dem Kind geben wollten. Vielleicht erwartete Elke, die sich unbändig darauf freute, Patentante zu werden, ja, dass das Kind nach ihr benannt wurde.– Elke? Laura wusste ganz sicher, dass sie ihr Kind so nicht nennen würde. Nicht wegen der realen Elke, aber so gut gefiel ihr der Name denn doch nicht. Außerdem wollte sie ihr Kind nicht nach einer Person aus ihrem eigenen Umfeld benennen; es sollte seinen ganz eigenen Namen haben, und deshalb würden auch Jan oder Hanno nicht infrage kommen, falls es ein Junge werden sollte.
    Als sie das Knarren vernahm, setzte sie sich alarmiert auf. Das war kein Traum. Auch Shadow, der bis jetzt friedlich auf seinem Kissen neben dem Bett geschlummert hatte, reagierte sofort auf das Geräusch. Er hob den Kopf und spitzte die Ohren. Ein leises Grollen kam aus seiner Kehle. Jetzt hörte sie die Schritte. Das war ganz nah. Und es war kein Traum. Sie kamen aus dem Eckzimmer nebenan, dem Zimmer, das verschlossen war. Laura und der Hund waren gleichzeitig an der Tür. Auch wenn Laura ein Schauder über den Rücken lief– sie wollte das jetzt wissen. Vielleicht spukte es ja doch? Vielleicht schlich die Frau im roten Kleid durch das Haus?
    Jan schrak zusammen, als das Licht anging.
    »Ach, du bist es? Shadow und ich haben uns gefragt, ob hier nicht ein Geist herumturnt.«
    Laura, unter deren Nachthemd sich ein deutliches Bäuchlein abzeichnete, sah sich neugierig um.
    »Ich wollte nur mal sehen, ob das Zimmer für unser Kind geeignet sein könnte.«
    »Natürlich ist es geeignet. Es ist das schönste Zimmer im ganzen Haus, Jan. Es wäre eine Schande, wenn es nicht bewohnt würde.«
    Sie wusste nicht, was sie sich alles ausgemalt hatte. Aber dass das Zimmer komplett leer sein würde, hatte sie nicht erwartet. Ihr Blick ging von den Fenstern, deren Rahmen grün gestrichen waren, zur Decke, die von einem helleren Grün bis ins Hellblau changierte. Das Kinderbett würde an der Wand stehen, die an ihr Schlafzimmer grenzte, die Wickelkommode an der Wand gegenüber. Daneben hätte ein Schrank Platz oder ein hübsches kleines Sofa, auf dem sie sitzen würde, wenn ihr Kind auf dem dicken weichen Teppich, den sie in die Mitte des Zimmers legen würde, mit Legos oder Spielzeugautos oder Puppen spielte.
    Als sie sich neben ihn ans Fenster stellte, nahm sie plötzlich den Geruch war. Nur ein leiser Hauch, der ihr plötzlich in die Nase gefahren war.
    »Riechst du das?«
    Jan schüttelte den Kopf.
    Sie hatte es fallen lassen. »Oh, tut mir leid, es ist mir aus der Hand gerutscht. Was bin ich nur für ein schrecklicher Tollpatsch.« Sie hatte gelacht und sich entschuldigt. Und der Duft hatte sich in dem Raum ausgebreitet.
    »Shalimar. Ich weiß es genau. Mein Duft.«
    Lauras Duft. Und nicht Julias Duft. Er war sich sicher gewesen, dass Julia das Fläschchen nicht, wie sie behauptet hatte, aus der Hand gerutscht war. Sie hatte es absichtlich fallen gelassen. Vielleicht war es ja auch unsensibel gewesen, ihr den

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