Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Jahr der Kraniche - Roman

Das Jahr der Kraniche - Roman

Titel: Das Jahr der Kraniche - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
fröhlich. Sie hatte nächtelang wach gelegen und gegrübelt, wie sie Jan helfen konnte. Sie hatte doch alles getan, damit es Laura gut ging. Und wenn das alles doch nicht reichte? Wenn diese Frau nicht nur Jan unglücklich machte, sondern auch das Kind, das sie bekommen würde? Sie durfte es nicht zulassen, dass im Jägerhaus noch einmal eine Katastrophe geschah.
    »Es schmeckt echt scheußlich, aber ich trinke es immer ganz brav.«
    Laura lachte Hanno an, der den Hund abholen kam, um ihn mit auf seinen Gang durch den Wald zu nehmen. Seit es Laura nicht so gut ging, hatte er sich angewöhnt, Shadow einmal am Tag den nötigen Auslauf zu verschaffen. Obwohl er in den letzten Tagen befürchtet hatte, dass der Jagdtrieb wieder mit dem Hund durchgehen würde, musste er erstaunt registrieren, dass er sich kaum mehr als fünf Meter von ihm entfernte und auf Hannos Ruf oder Pfiff sofort reagierte.
    »Gutes Mädchen. Augen zu und runter damit. Elkes Tränke wirken wirklich Wunder.«
    »Wenn sie vielleicht wenigstens den Bärlauch weglassen würde. Den mag ich schon als Salat nicht. Oder, noch schlimmer, als Pesto. Derjenige, der auf diese Idee gekommen ist, ist nicht mein Freund. Ich hab keine Ahnung, wie es kommen konnte, dass Bärlauch plötzlich der neue Rucola wurde. Die Leute spinnen doch alle.«
    Hanno erinnerte sich an die abgeschnittenen Bärlauchpflanzen, die er gestern im Wald gesehen hatte. Er schüttelte den Kopf. Hatten die Leute es immer noch nicht kapiert, dass es gefährlich war, den wilden Bärlauch aus dem Wald zu essen? Es hatte weiß Gott genug Artikel in den Zeitungen darüber gegeben, dass der Bärlauch, wie alle anderen Pflanzen, die im Wald am Boden wucherten, mit den Eiern des Fuchsbandwurms verseucht sein konnte. Wenn Menschen die mit dem Bärlauch zu sich nahmen, setzten sie sich in der Leber fest und verursachten dort schwere, zuweilen auch tödliche Schäden. Zwar gab es inzwischen gute Heilmittel gegen den Fuchsbandwurm, aber es musste doch nicht sein, dass man sich so eine schwere Krankheit einfing, nur weil man es romantischer fand, das Kraut selbst zu sammeln, statt es im Supermarkt zu kaufen, wo es in der Regel aus einem kontrollierten Gewächshaus stammte. Mal ganz abgesehen davon, dass immer die Gefahr bestand, dass unwissende Sammler aus Versehen Maiglöckchenblätter erwischten oder die Blätter der Herbstzeitlosen, die sich kaum von denen des Bärlauchs unterschieden und tödlich giftig waren. Er selbst hatte längst aufgehört, den wilden Bärlauch zu sammeln, und er hatte sich auch von Elke versprechen lassen, dass sie ihn von ihrem Speisezettel strich. Seine Tochter hatte ihn anfangs ausgelacht. Es starben tausendfach mehr Menschen im Straßenverkehr oder an einer Grippe als an einem durch Bärlauch aufgenommenen Fuchsbandwurm. Doch als sie begriffen hatte, wie ernst es ihm war, hatte sie das Kraut in ihrem Garten angepflanzt, der von einem dichten Zaun umgeben war und in den sich der Fuchs normalerweise nicht verirrte. Einen Moment lang schoss es ihm durch den Kopf, dass Elke ihm vielleicht nur etwas vormachte. Sie liebte es, durch den Wald zu streifen und Beeren zu sammeln. Sie würde doch nicht … Ach was, sie war eine vernünftige Frau, und als Biologin waren ihr die Gefahren des Waldes durchaus bekannt. Natürlich war sie es nicht gewesen, die hier den Bärlauch abgeschnitten hatte. Der Bärlauch, den sie in den grünen Trank gemischt hatte, den sie Laura zur Kräftigung gemacht hatte, war sicher aus ihrem Garten. Es konnte gar nicht anders sein.
    Jan öffnete die Tür zum Eckzimmer. Er zögerte. Viel zu lange hatte er gewartet, bevor er sich entschlossen hatte, das Zimmer zu betreten. Doch die Überlegung, wo sie denn das Kinderzimmer einrichten wollten, hatte immer wieder bei diesem Zimmer geendet. Nicht nur, dass es groß und hell war, es lag auch neben dem Schlafzimmer. Das Kind könnte ganz in ihrer Nähe sein. Anders als bei allen anderen Zimmern im Haus würden sie sofort hören, wenn das Baby weinte. Laura hatte nicht aufgehört, über dieses Zimmer zu reden, und schließlich hatte er ihr versprochen, es in Augenschein zu nehmen. Der Vollmond fiel durch die großen Fenster in den Raum, sodass Jan kein Licht machen musste. Der Raum war leer. Hanno hatte ihn damals nach Julias Verschwinden ausgeräumt. Die alten Dielen knarrten leise, als Jan hereinkam.
    »Wundervoll. Ich liebe diese alten Holzböden.« Julias Stimme schwebte durch das Zimmer. Sie hatte sich auf den

Weitere Kostenlose Bücher