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Das Jahr der Kraniche - Roman

Das Jahr der Kraniche - Roman

Titel: Das Jahr der Kraniche - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Wetters–, in der Uckermark als ein wahrer Quell sensationeller Fotos erwiesen.
    Ein leichter Wind begann die Nebelfetzen über das Tal zu treiben. Die Wolkendecke riss plötzlich auf. Die Sonne brach durch und brachte das Tal, das eben noch wie eine geheimnisvoll düstere Traumlandschaft vor ihm gelegen hatte, zum Gleißen. Es war, als söge die Sonne die Feuchtigkeit mit einem tiefen Atemzug ein. Alles war plötzlich in Bewegung, in lang gestreckten Bahnen schossen die Nebelhexen in den immer blauer werdenden Himmel und ließen das Tal wie entblößt unter sich.
    Als die Frau in den orangefarbenen Gummistiefeln am Waldrand erschien und einen Moment wie erstarrt stehen blieb, ahnte der Fotograf, was in ihr vorging. Sicher war sie von dem Anblick, der sich ihr bot, genauso hingerissen wie er. Selbst ihr schwarzer Hund setzte sich brav neben sie und schien das Spektakel, das sich vor seinen Augen abspielte, genauso zu genießen wie sein Frauchen. Die Kamera des Fotografen klickte. Jetzt wandte die Frau den Kopf in seine Richtung. Ihr Blick wanderte forschend über die Wiese, die im plötzlichen Sonnenlicht erglänzte bis hin zu dem Hochstand, auf dem der Mann im Schatten einer prächtigen Buche saß. Er konnte nicht aufhören zu fotografieren. So weit die Frau von ihm entfernt war, so deutlich spürte er ihre Präsenz. Von dem Moment an, in dem sie aus dem Dunkel des Waldes ins Licht getreten war, hatte sie ihn in ihren Bann gezogen. Dabei war auf den ersten Blick nichts Spektakuläres an ihr. Die dunkelblaue Regenjacke verhüllte sie vom Kopf bis zu den Knien. Die Jeans endeten in den Gummistiefeln, die wie ein dickes Bündel Ringelblumen aus dem Grün der Wiese abstachen. Und doch war etwas an ihr, das ihn faszinierte. Vielleicht war es nur ihre Haltung, die zugleich lässig und absolut in sich ruhend war. Oder war es der offene Blick, mit dem sie neugierig um sich sah, bereit, alles, was um sie herum vorging, in sich aufzunehmen? Er lachte plötzlich leise vor sich hin. Oder war es einfach nur ihre jugendliche Frische, die leicht geröteten Wangen, der Glanz in ihren dunklen Augen, die halb geöffneten vollen Lippen, die ihm auf Anhieb gefielen? Denn daran gab es keinen Zweifel: diese junge, mädchenhafte Frau war eine Schönheit. Ein Typ, in den er sich früher auf Anhieb verliebt hatte. Er hatte keine Ahnung, wer sie war. Auf keinen Fall war er ihr schon einmal begegnet, daran hätte er sich erinnert. Vielleicht war sie eine Touristin. Möglicherweise aber wohnte sie ja auch hier in der Gegend. Und wenn das der Fall war, würde er herausfinden, wer sie war.
    Laura ließ Shadow wieder von der Leine. Er hatte seine Rolle als Führer durch den Wald perfekt gemeistert, aber jetzt kannte sie sich wieder aus, und er sollte auf dem kurzen Stück nach Hause noch seine Freiheit genießen können. Die Sonne brannte jetzt heiß. Die Reste des Nebels verdampften in wenigen Augenblicken. Gleich würde sie sich fragen, ob dieses Intermezzo im Moor nur ihrer Fantasie entsprungen war. Sie wusste nicht, ob sie diese Fähigkeit des menschlichen Gehirns, Dunkelheit und Zweifel in dem Moment zu verdrängen, wenn es wieder hell wurde, als ausschließlich positiv bewerten sollte. Sicher, es war eine große Erleichterung, wenn man nicht jeden Schatten, der sich auf Seele und Körper gelegt hatte, ein Leben lang mit sich herumtragen musste. Aber wäre es nicht manchmal auch segensreich, wenn man nicht nur eine Ahnung des Düsteren in sich einschließen würde, sondern wenigstens auch die Erinnerung an das, was die Düsternis in jenem Moment, als man mitten in ihr steckte, mit einem gemacht hatte? Würde die Seele nicht wachsen können an der Erinnerung daran, wie man sich gefühlt hatte, als es dunkel um einen herum war?
    »Wenn die Frauen den Schmerz der Geburt nicht in jenem Moment vergessen würden, wenn sie ihr Kind das erste Mal in den Armen halten, würde keine Frau auf der Welt ein zweites Mal schwanger werden wollen.«
    Ihre Mutter war überzeugt davon gewesen, dass es richtig war, Schmerzen, die man im Leben erlitten hatte, zu vergessen. Keine Frau würde sich je wieder auf einen Mann einlassen, wenn sie sich immer daran erinnern würde, wie sehr ihr der letzte Mann wehgetan hatte. Kein Mensch würde je wieder einen Nagel in die Wand schlagen, wenn er nicht verdrängen könnte, wie weh es wirklich getan hatte, als er sich auf den Daumen geschlagen hatte. Kein Kind würde je wieder bei Gewitter allein zu Hause bleiben wollen,

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