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Das Jahr der Maus

Das Jahr der Maus

Titel: Das Jahr der Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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ab und rückt tatsächlich ein bißchen über den Freeway 210 hinaus Richtung Pasadena vor. Das ist neu. Im großen und ganzen ist die Nordwestgrenze der Zone ein gutes Stück südlich vom Huntington Drive geblieben – das meiste hat das untere San Gabriel Valley abbekommen, Orte wie Monterey Park, Rosemead und South El Monte –, aber jetzt verschiebt sie sich auf einmal diagonal ein paar Kilometer in die andere Richtung nach oben: Jenseits des Huntington dringt Lava aus, praktisch am Rand der Rennbahn und des Arboretums, und zerschneidet höchstwahrscheinlich den 210.
    Ganz schlechte Neuigkeiten. Mattison braucht nicht zu warten, bis die Alarmglocken losgehen, um das zu wissen. Alle möchten gern glauben, daß die Zone auf die unglückliche Gruppe von Gemeinden draußen am östlichen Rand des Los-Angeles-Beckens begrenzt bleiben wird, wo der Ärger losgegangen ist, aber jeder hat Angst davor, daß sie statt dessen unaufhaltsam weiter nach Westen vordringt, bis sie den Ozean erreicht, wie ein schlimmer Fall von Akne, der auf der linken Wange eines Teenagers anfängt und sich bis zu den Fußknöcheln fortsetzt. Sie leisten ziemlich gute Arbeit bei der Kontrolle der Oberflächenströmungen, aber niemand weiß wirklich, was tief unten vorgeht, und genau in diesem Moment könnte der Fall eingetreten sein, daß sich zornige Magmaströme auf Beverly Hills, Trousdale Estates und Pacific Palisades zuwälzen und dann weiter Richtung Malibu, um den Filmstars eine letzte hübsche Überraschung zu bereiten, wenn der sagenhafte neue Pacific-Coast-Highway-Vulkan abrupt den Kopf aus der Brandung streckt. Natürlich ist es ein langer Weg von Arcadia bis Malibu. Aber jede neue Ausdehnung der Zone nach Westen, selbst wenn es nur ein paar Blocks sind, ist ein äußerst beunruhigendes Anzeichen dafür, daß der Prozeß keineswegs abgeschlossen ist, sondern in Wirklichkeit vielleicht gerade erst begonnen hat.
    Mattison dreht sich zum Speisesaal um und ruft: »Eßt lieber schnell, Leute, sie werden uns nämlich gleich Bescheid sagen, daß wir in unsere Anzüge steigen sollen, glaube ich, und …«
    Und dann bekommen die grünen Punkte auf dem Bildschirm fluoreszierende gelbe Ränder, und im Silver Lake Citizens Service House beginnt die Alarmglocke zu läuten.
     
    Der Alarm bedeutet, daß die Ereignisse draußen in Arcadia die Möglichkeiten der lokalen Lavakontrollteams offenkundig ein bißchen übersteigen, so daß sie nun auch die Leute vom Citizens Service dazuholen. Das ganze Konzept der Citizens-Service-Häuser besteht darin, daß sie von Bürgern bewohnt werden, die in Schwierigkeiten geraten sind und sich freiwillig erboten haben, gemeinnützige Arbeit zu leisten – jede Art von Arbeit, die von ihnen verlangt werden könnte. Ein Citizens Service House ist weder ein richtiges Gefängnis noch ein richtiges Therapiezentrum, aber es hat gewisse Eigenschaften von beiden Institutionen, und seine Bewohner sind Leute, die auf die eine oder andere Weise Mist gebaut und nicht nur sich selbst, sondern auch ihren Mitbürgern Schaden zugefügt haben, einen Schaden, den sie nun durch gemeinnützige Arbeit wiedergutmachen können, während die lockeren Schräubchen in ihren Köpfen allmählich wieder festgezogen werden.
    Ging es anfangs im wesentlichen um das Aufsammeln von Müll an Freeways, das Beschneiden von Bäumen in öffentlichen Parks und ähnliche notwendige, aber im Grunde simple und nicht lebensgefährliche Tätigkeiten, so ist ihre Arbeit erheblich haariger geworden, seit Los Angeles mit dieser Vulkangeschichte zu kämpfen hat. Die Vulkangeschichte hat alle möglichen juristischen und gesellschaftlichen Veränderungen in der Region beschleunigt, weil flüssige Lava einfach nicht abwarten will, bis die üblichen idiotischen juristischen Prozeduren in Kalifornien ihren Lauf genommen haben. Daher hat es nach dem Ausbruch in Pomona nur zwei oder drei Wochen gedauert, bis die Bezirksverwaltung die Legislative aufforderte, den Citizens Service Act dergestalt zu erweitern, daß er auch die Lavakontrolle einschloß, und schon am nächsten Tag wurde das Gesetz von beiden Häusern verabschiedet. So daß die diversen Alkis, Drogis, Pillenschlucker und anderen traurigen, von Suchtstoffen benebelten Kaputtniks in den Citizens-Service-Häusern sich jetzt verpflichtet sehen, mindestens drei- oder viermal pro Monat – und manchmal noch öfter – an die Front zu gehen und zusammen mit respektableren Leuten ihr Bestes zu tun, damit sich der

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