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Das Jahr der Maus

Das Jahr der Maus

Titel: Das Jahr der Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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Militärtransporter, der jetzt immer draußen vor dem Haus bereitsteht, hat die Heckklappe unten, und die Lavakämpfer walzen nacheinander die schräge Fläche hinauf und nehmen ihre Plätze auf der offenen Ladefläche ein. Mattison wartet auf der Straße, bis alle an Bord sind, die mitfahren: zwölf der vierzehn Insassen – Jim Robey, der langsam von der Schwelle einer Zirrhose zurückkommt, ist viel zu ausgeflippt und zu tatterig, als daß man ihn an die Lavafront schicken könnte, und Melissa Hornack wird durch ihre extreme Fettleibigkeit disqualifiziert – sowie noch zwei der vier Mitarbeiter, Ned Eisenstein, der Sanitäter des Hauses, und Barry Gibbons, der Koch, der keinen Anzug trägt, weil er den Transporter fährt, und man kann keinen Transporter fahren, wenn man in einem Ding steckt, das Ähnlichkeit mit einem kleinen Panzer hat. Die vierte Mitarbeiterin, Donna DiStefano, die Leiterin des Hauses, würde liebend gern auch mitfahren, muß jedoch aufgrund ihrer offiziellen Position zu Hause bleiben und auf Robey und Hornack aufpassen.
    »Wir sind soweit«, erklärt Mattison Gibbons über Helmfunk und schwingt sich auf den Transporter. Und ab geht die Post, Richtung Zone.
     
    Trotz der frühen Stunde wird es rasch wärmer, schon rund siebzehn Grad, ein herrlich frühlingshafter Februarmorgen, und infolge des starken Regens ein paar Nächte zuvor ist die Luft noch einigermaßen klar. In diesem Winter hat es besonders viel geregnet, und Mattison spielt oft und gern mit dem Gedanken, daß es eines Tages stark genug regnen wird, um die verdammten Vulkane endgültig zu löschen. Aber er weiß, daß das unmöglich ist; das Magma kommt einfach immer weiter aus dem Bauch der Erde herauf, ganz gleich, was für ein Wetter oben ist. Ein Vulkan ist schließlich kein Osterfeuer.
    Der Regen hat jedoch alles grün gefärbt. Die Hügel sind reiner Smaragd, außer dort, wo riesige Bougainvilleen eine gigantische Explosion von Violett- und Orangetönen auslösen. Da die vorherrschenden Winde zu dieser Jahreszeit von West nach Ost wehen, ist in diesem Teil der Stadt keine Schicht aus Vulkanasche oder anderem pyroklastischem Dreck zu sehen, und man riecht auch nichts von den ungesunden Gasen, die die zahllosen Fumarolen der Zone absondern; dieser ganze Unrat wird in die andere Richtung getragen, färbt die Welt von San Gabriel aus in Richtung San Berdoo und Riverside schwarz und macht sie zu einem widerwärtigen Ort.
    Was man allerdings sieht, ist die ferne Rauchwolke, die vom Gipfel des Mount Pomona aufsteigt, wie man den Hauptkegel offenbar getauft hat. Der Berg selbst, der in einem kleinen Ort namens City of Industry gleich südwestlich vom eigentlichen Pomona entstanden ist, zwei Freeways überspannt und beide auslöscht, ist von hier aus nicht zu sehen – er ist nur etwas über zweihundert Meter hoch, nachdem er sechs Monate lang durch die Anhäufung des von ihm selbst ausgeworfenen Schutts in die Höhe gewachsen ist. Aber die Säule aus Dampf und feiner Asche, die aus ihm aufsteigt, ist vielleicht fünfmal so hoch, und man kann sie im ganzen Becken sehen, von nah und fern, außer vielleicht in West L.A. und Santa Monica, wo man nichts von all dem sieht oder riecht und über die ganze Vulkangeschichte wahrscheinlich nur das weiß, was in der Times steht oder in den Fernsehnachrichten kommt.
    Als der Transporter auf dem Ventura nach Osten fährt, zeigen sich die ersten Anzeichen der Katastrophe jedoch bereits in Glendale, und als sie auf den Freeway 210 abgebogen sind und durch Pasadena fahren, kann kein Zweifel mehr daran bestehen, daß ein bißchen weiter vorn etwas Ungewöhnliches geschehen ist. Etwa von der Fair Oaks Avenue an ostwärts ist alles von einer leichten, rußigen Schicht aus feinem Bimssteinstaub und vulkanischer Asche überzogen, die von sporadischen Böen des Santa-Ana-Windes aus der Zone getragen worden sind, und das ganze Gebiet jenseits der Lake Avenue ist richtiggehend dreckig. Mattison, ein gebürtiger Angeleno, der in Northridge und Van Nuys aufgewachsen ist und den größten Teil seines Erwachsenendaseins in einer Abfolge möblierter Wohnungen in West Los Angeles verbracht hat, denkt an die makellosen Villen gleich rechts von ihm, drüben in San Marino, mit ihren gepflegten Rasenflächen, ihren blühenden Kamelien, Azaleen und Aloen, und schüttelt den Kopf bei dem Gedanken daran, wie sie jetzt aussehen müssen. Er erinnert sich noch an eine ausgedehnte Kneippkur, die in Santa Monica begann und

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