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Das Jahr der Maus

Das Jahr der Maus

Titel: Das Jahr der Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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ungefähr hier in der Gegend endete, bei der er um drei Uhr morgens über die Mauer des riesigen, ausgedehnten Kakteengartens der Huntington Library in San Marino geklettert, in dem Garten herumgelaufen ist und gedacht hat, er sei auf einen anderen Planeten versetzt worden. Jetzt muß es da drin wirklich wie auf dem Mars aussehen, denkt er.
    Am Sierra Madre Boulevard fährt der Transporter vom Freeway ab. »Er ist gleich hinter dem San Gabriel Boulevard von einem Haufen Lavabomben blockiert«, erklärt ihm Gibbons über Helmfunk. »Sie hoffen, daß sie ihn bis heute nachmittag freigeräumt haben.« Er fährt im Zickzack in südöstlicher Richtung auf Nebenstraßen durch Pasadena, bis sie den Huntington Drive erreichen, auf dem sie die Santa-Anita-Rennbahn passieren und direkt vor einer Straßensperre der Nationalgarde ein paar Blocks weiter landen.
    Die Gardisten sehen eine Wagenladung glanzverspiegelter Lava-Anzüge und winken sie durch. Gibbons, der seine Fahranweisungen jetzt zweifellos direkt von der Vulkanzentrale bekommt, biegt links auf die North Second Avenue und dann rechts auf den Colorado Boulevard ein und bringt den Transporter ein bißchen weiter unten an der Straße zum Stehen, wo ein halber Block einstöckiger Gewerbebauten in Flammen gehüllt ist und rote Lavafontänen aus einem Bau aufspritzen, der bis vor fünf oder sechs Stunden noch ein Burrito-Laden gewesen ist. Der Block ist abgeriegelt, aber gleich hinter dem Kordon steht ein Haufen Leute, Mexikaner, ein paar Chinesen, vielleicht ein paar Koreaner, die weinen und jammern und die Arme gen Himmel recken – höchstwahrscheinlich die Eigentümer der kleinen Läden, die hier zerstört werden.
    »Alle raus«, befiehlt Mattison, als die Heckklappe runtergeht.
    An der Peripherie des Schauplatzes sind bereits Feuerwehrmänner an der Arbeit; sie spritzen die brennenden Gebäude in der Hoffnung ab, das Feuer unter Kontrolle zu bekommen, bevor es das ganze Viertel erfaßt. Sie haben es jedoch Mattison und seiner Crew überlassen, sich um die austretende Lava zu kümmern. Lava-Eindämmung ist eine neue und spezielle Kunst, in der die Leute von den Citizens-Service-Häusern allmählich Meister geworden sind, und die bedrängten Feuerwehrleute haben überhaupt nichts dagegen, ihnen diese Art von Arbeit zu überlassen und sich darauf zu konzentrieren, konventionelle Brände zu löschen.
    Mattison schätzt die Situation mit einem raschen Blick ein. Das Ganze ist noch im Frühstadium, wie er sieht. Es besteht noch Hoffnung, daß sie die Lava eindämmen können.
    Folgendes ist hier geschehen: Ein einzelner Arm des tieferliegenden Magmagürtels, der dieses ganze Schlamassel verursacht, ist durch das Grundgestein heraufgekommen und hat auf einer mehrere Kilometer langen diagonalen Linie an acht oder neun Stellen die Oberfläche durchbrochen. Es ist, als ob eine vielköpfige Schlange aus feurig-heißer Lava all ihre Köpfe gleichzeitig erhoben hätte.
    Der Lava-See hier mißt vielleicht drei mal viereinhalb Meter – eher eine Pfütze, gerade genug, um dem Burrito-Laden den Garaus zu machen. Die Hitze, die er von sich gibt, ist natürlich phantastisch: Mattison, der mittlerweile ein Experte in solchen Dingen geworden ist, erkennt mit einem Blick, daß sie es hier mit Temperaturen von über 1000 Grad zu tun haben. Derart heiße Lava glüht gelblich-rot. Er zieht es vor, mit Lava zu arbeiten, die knallrot leuchtet, also rund 200 Grad kühler ist, oder noch besser dunkel blutrot, noch einmal 200 Grad kühler; aber er kann sich die Temperaturen in diesen Situationen nicht aussuchen, und zumindest sind sie noch nicht im weißglühenden Bereich, denn dann ist es höllisch schwer, mit ihnen zurechtzukommen.
    Es ist die Hitze der Lava und nicht etwa ein Feuer von unten, was die angrenzenden Gebäude angezündet hat. Vulkane speien kein Feuer, wie Mattison weiß. Aber wenn ein Haufen glutheißes Material in einer Straße wie der hier hochkommt, dann erreichen nahegelegene Bauten, die größtenteils aus Hartfaserplatten und Sperrholz bestehen, sehr rasch ihren Flammpunkt.
    Der Strom bewegt sich bis jetzt relativ langsam, vielleicht fünfundzwanzig bis dreißig Zentimeter pro Minute. Das heißt, daß die Lava relativ zähflüssig ist, Gott sei Dank. Er kennt Ströme, die fünfzigmal so schnell herausgespritzt kommen und einen richtig zum Tanzen bringen. Er sieht, wie die Lava an ihrer Oberfläche gerinnt, wo sie mit der Luft in Kontakt kommt, und eine glasige Fläche bildet,

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