Das Jahr der Maus
die klimpert und klirrt und klingelt, während der unerbittliche Druck von unten sie immer wieder zerbricht. Mattison beobachtet, wie hin und wieder Klumpen und Beulen heraufkommen, sich ausdehnen, ein bißchen verhärten, dann brechen und Schnörkel schmelzflüssiger Lava zu beiden Seiten hervorstoßen. Ein paar große Blasen kommen ebenfalls hoch, und sie wirken bedrohlich und häßlich; vielleicht sind sie Anzeichen dafür, daß der Lava-See erwägt, ein paar kleine Lavabomben auf die Zuschauer zu spucken.
Der Pumpenwagen, den sie Mattisons Crew an diesem Morgen hingestellt haben, ist reichlich mickrig, aber er scheint für Mattisons Zwecke zu genügen. Die Region hat nur eine gewisse Anzahl der großen Kisten zur Verfügung, selbst nach all diesen Monaten seit Beginn der Krise eigentlich nur eine Handvoll, und die müssen für die wirklich schlimmen Ausbrüche in Reserve gehalten werden. Statt einer Zweieinhalb-Tonnen-Pumpe, die dreizehntausend Gallonen Wasser pro Minute bewegen und, wenn nötig, fünfzig bis hundert Meter hoch in die Luft spritzen kann, haben sie ihm für die Arbeit hier also eins der kompakten Helgeson & Nordheim-Dinger gegeben, das auf einem Dreifuß montiert ist und auf der Ladefläche eines ordinären Pritschenwagens steht. Es ist klein, aber es wird wahrscheinlich seinen Zweck erfüllen.
Eine freiwillige Brandbekämpfungshelferin – eine Latino, nicht viel älter als fünfzehn, dunkle Augen, die vor Aufregung und Angst glänzen – ist dazu abgestellt worden, ihnen zu zeigen, wo der Wasseranschluß ist. Jede der zahllosen kleinen Gemeinden innerhalb und außerhalb der Zone ist jetzt gesetzlich verpflichtet, bestimmte Hydranten als spezielle Lavapumpen-Anschlüsse zu kennzeichnen; außerdem muß sie alle sechs Blocks Reservewassertanks in Bodenhöhe einrichten und dafür sorgen, daß sie stets gut gefüllt sind. »Wie weit sind wir vom nächsten Lava-Hydranten entfernt?« will Mattison von dem Mädchen wissen. In seinem Lava-Anzug klingt er wie ein Invasor aus dem Weltraum, und sie erklärt ihm, der Hydrant sei knapp einen Kilometer hinter ihnen auf der North Second. Hat er denn einen tausend Meter langen Schlauch bekommen? Sie glaubt schon. Okay: Vielleicht hat sie recht. Wenn nicht, können ihm die Feuerwehrmänner einen leihen. Lava-Eindämmung hat höhere Priorität als Brandbekämpfung, weil sich ein Feuer durch unkontrollierte Lavaströme noch schneller ausbreitet als durch brennende Gebäude. Letztere wälzen sich nämlich nicht durch die Straßen, die Lava aber schon.
Mattison gibt der Brandbekämpfungshelferin Paul Foust und Nicky Herzog mit, zwei seiner am wenigsten konfusen Leute, damit sie den Schlauch anschließen. Währenddessen schleift er zusammen mit Marcus Hawks und Lenny Prochaska die Pumpe so nah an die Lava, wie sie es wagen, während Clyde Snow, Mary Maude Gulliver und Marty Cobos sich daranmachen, die hundert Meter Stahlmantelschlauch an der Pumpe abzuspulen und sie ungefähr Richtung North Second Avenue zu verlegen, woher das Wasser kommen wird. Der Rest seiner Crew macht sich daran, die konventionellen Schläuche abzurollen, die sie bekommen haben – normale Feuerwehrschläuche, die schmelzen würden, wenn man sie in der Nähe der Lava benutzen würde –, und sie dort auszulegen, wo der Stahlmantelschlauch endet.
Mattison fühlt unwillkürlich eine Aufwallung von Stolz, als er seinen Schützlingen bei der Arbeit zusieht. Sie sind nur ein Haufen menschlicher Müll, der gerade erst die Entgiftungsphase hinter sich hat, genau wie er selbst damals, und dennoch, so unterbelichtet, stur, übellaunig, konfus und generell unerträglich sie sein können, sie scheinen immer über sich hinauszuwachsen, wenn sie hier draußen an der Lavafront sind. Oder meistens jedenfalls. Es gibt ein paar nervtötende Unruhestifter in der Gruppe, und sogar die Guten haben komische kleine Rückfälle, wenn man es am wenigsten erwartet oder wünscht. Aber das sind die Ausnahmen; diese Art von Arbeit ist die Regel. Gut für sie, denkt er. Gut für uns alle. Insgeheim ist er auch stolz auf sich selbst, wenn er bedenkt, daß er vor ein paar Jahren selbst so ein großes, betrunkenes, aufsässiges Arschloch gewesen ist wie die anderen, das seine Sauftechniken in jeder Bar am Wilshire von der Barrington bis zum Bundy und zur Centinela und so weiter bis runter zum Meer gewissenhaft perfektioniert hat, während er jetzt ruhig, gelassen und wirkungsvoll seinen eigenen kleinen Abschnitt der
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