Das Jahr der Maus
Gedächtnis. Doch was es konkret bedeuten sollte, das wußte sie nicht. Sie empfahl mir einige Codenummern irgendwelcher Enzyklopädien.
Die Roboter der Eds raubten oft Gräber bedeutender Persönlichkeiten aus – wahrscheinlich deshalb, weil sich gerade in diesen Begräbnisstätten die Knochenreste am besten erhalten hatten. Noch dazu: Diese Charaktergestalten wurden auch am meisten porträtiert. Möglicherweise werde ich mich irgendwo wiederfinden. Eine hervorragende Kurzweil, in der Tat.
235 HR 14
Anstatt die Bilder von der Erde anzusehen, blätterte ich in einer Enzyklopädie. Jetzt begann ich zu begreifen, warum unsere Rohstoffe für Eden so wichtig sind, und hatte einen Verdacht, warum sie auf die Erhöhung der Produktion drängten. Nur damit die Eds die eigene Vermehrung nicht übertrieben.
Es gefällt mir nicht. Obwohl ich über die Erde nicht viel weiß, eins ist, glaube ich, klar. Die Erdmenschen lebten nicht, um jemandem oder für etwas zu dienen. Sie waren Zweck für sich allein. All ihr Leben sollte der Vervollkommnung ihrer eigenen Zivilisation nützen, sie waren eine Kultur von vernünftigen Wesen. Andere denkende Geschöpfe haben sie nie gekannt. Daß ihnen gerade diese erneute Vervollständigung nicht gelang, das ist wohl eine andere, und auch sehr interessante Frage.
Und hier? Sowohl Eds, als auch ich, da kann man nichts machen, sind sekundäre Produkte anderer ausgestorbener und denkender Lebewesen – der ursprünglichen Edenianer. Doch während wir nur ein reines Mittel zum Zweck sind, sind die Eds Mittel an sich. Wir leben nur dann, wenn wir fähig sind zu dienen, aus all unseren Eigenschaften werden nur diejenigen ausgesucht, die für das Wohl Edens verwendbar sind. Und wenn wir ausgedient haben, werden wir getötet. Möglicherweise human, aber ganz sicher.
Würden wir das schaffen, was die Erdmenschen zuwege gebracht hatten? Würden wir erreichen, eine neue eigene Zivilisation aufzubauen und sie später doch nicht ausrotten? Diese Kultur müßte anders sein als die irdische, es sind doch Eds hier, die Hinterlassenschaft der Edenianer, für die wir – wenn auch ohne unsere Einwilligung – die Verantwortung übernommen haben …
Unter uns befinden sich sicher sehr fähige Menschen: Raf, Zap, Eva. Und was resultiert daraus? Wie würden die zwei vorgehen, wenn sie nicht gestorben wären, also ermordet worden wären? Was würden die anderen sagen, wenn sie das wüßten, was wir wissen, Eva und ich? Und was wird aus unserem Wissen, wenn wir nicht bald anfangen, etwas zu tun?
Und was wird aus uns werden, wenn wir nichts anderes beginnen? Werden die Eds vernünftigen Argumenten zugänglich sein? Ich glaube einfach nicht, daß Edenianer, die soviel Verantwortungsgefühl gegenüber Eds bewiesen haben, gerade aus uns nur einfache Instrumente machen wollten. Gerade aus uns, die doch den Edenianern ähnlicher als Eds sind.
Die Hauptfrage: Was weiter?
Eva bewies mir, daß wir auf der Setra alles zur Verfügung hatten, was wir zur Erhaltung unserer eigener Existenz brauchten. Einschließlich der zwanzig X2, also der Frauen, wie sie richtig genannt werden sollten. Eva behauptete, daß dies als Grundlage, als Ausgangsbasis im schlimmsten Falle genügen sollte.
Aber was wird mit den Eds? Sie können doch nicht auf uns verzichten! Auch wenn sie es nicht wollten, müßten sie irgendein Mittel suchen, uns von der totalen Sezession abzubringen.
Die hier von uns geschaffenen, derzeitigen Bedingungen können im Extremfall als Druckmittel gegenüber Eden dienen. Wir würden mit der Einstellung der Rohstofflieferung drohen, und sie können nicht auf die selbe Weise zurückschlagen. Doch hätte das ganze wirklich irgendeinen Sinn?
Weit lieber wäre es mir, wenn wir uns nicht nur auf Setra, sondern auch mit Geta, Dania und anderen Stationen im guten einigen könnten. Wir haben doch alle Möglichkeiten zur Schaffung einer Zivilisation von zwei gleichberechtigten Gattungen, sozusagen Sippen. Doch begreifen das ausgerechnet die Eds, die es gewöhnt sind, in uns nur Instrumente für ihre eigenen Ziele zu sehen? Vielleicht intelligente Instrumente, die man gut behandeln und um die man Sorge tragen muß, aber eben doch nur Instrumente? Und leuchtet dies auch den Menschen ein? Bringen wir es zuwege, ihnen das ganze komplizierte Dasein zu erklären?
Selbständigkeit bedeutet, ohne Klonen auszukommen. Auch ich … und Eva … Heute weiß ich, sich ihr als einer Frau zu nähern, würde bedeuten: mehr Gefühle
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