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Das Jahr der Maus

Das Jahr der Maus

Titel: Das Jahr der Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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unendlich schöner als diese. Ohne nutzlosen Schmuck und mit kurzen Haaren, angezogen ähnlich wie jedermann, genauso wie ich. Wegen ihr hatte ich aufgehört, ein intelligenter Automat zu sein, und wurde zum Menschen. Einem Wesen mit eigenem Willen und Vorstellungen über die Zukunft. Das kann mir niemand mehr nehmen, solange ich lebe.
     
    235 GS 18
    Eva drängt, daß wir unser Experiment in absehbarer Zeit wiederholen sollten. Nach der Enttäuschung, die ich ihr und mir bereitet habe, hatte ich eben keine Lust. Könnten wir nicht eine Zweigstelle der Klonstation auf der Setra einrichten?
     
    235 GS 19
    Es ist schon mal bemerkenswert, daß Eden meine Ammenmärchen geschluckt hat, die sich auf das Material für die Kuppel bezogen, und nun lehnen sie meine Gründe für die Steigerung der Rohstofflieferungen ab. Denn ob wir wollen oder nicht, wir mußten den Abbau einstellen, alle Maschinen samt beider Superautomatiken sind kaputt gegangen.
    Offensichtlich herrscht dort eine Verdachtsatmosphäre ungewöhnlichen Ausmaßes. Sie schicken einen Ed als Kontrolleur – und das geschieht nur sehr selten.
    Allzusehr wundere ich mich nicht darüber. In der letzten Zeit geschah auf der Setra so viel, daß es sogar eine Leiche beunruhigen würde. Schlimmer ist, daß sich nun alle Verdächtigungen der Eds bestätigen werden – und wer weiß, was sie sich noch weiter dazuphantasieren werden.
    Nun werden die Eds begreifen, warum ich und Eva alle Informationsbegrenzungen mißachtet haben, wozu ich die zusätzlichen Rohstoffe und Menschen brauchte, und ich weiß nicht was noch. Auch wenn ich bis zur Ankunft des Kontrolleurs alle Neuerungen, die ich in den letzten zwei Phasen eingeführt hatte, rückgängig machen würde, die Eds würden es von den anderen erfahren. Nein, es hat keinen Sinn mehr, zu lügen und zu betrügen.
    Gegebenenfalls wäre es besser, offen zu sein. Die Eds sind doch genauso denkende Wesen wie wir, und es sollte ihnen klar sein, daß ihnen niemand schaden will.
    Ich will doch nur, daß die Eds aufhören, uns als Instrumente wahrzunehmen, und uns als das betrachten, was wir sind: denkende Kreaturen einer anderen Art, die sich des Zweckes und Sinnes ihrer Arbeit und ihrer eigenen Existenz bewußt sind. Einer Existenz, die in der Symbiose der Menschen und der Eds beruht, genau wie es sich – und ich glaube fest und beständig daran – die ursprünglichen Edenianer vorgestellt hatten.

 
    Bemerkung des Herausgebers:
     
    Dieses Tagebuch bestätigt auf interessante Weise ältere Theorien über die gemeinsame Abstammung der Getas und Setras, und vermutlich erklärt es auch einige archäologische Funde auf Setra. Gleichzeitig wirft dieses veröffentlichte Dokument weitere Fragen, nicht nur historischer, sondern auch biologischer Art, auf. Vor allem wissen wir nicht, was das eigentlich war, die Erde, auf die sich der Autor so oft und inbrünstig beruft, soweit überhaupt so etwas existiert haben konnte.
    Wir müssen wissen, daß die Eds nach der Unterdrückung des Emanzipationsversuches der Setras alle bisher leicht zugänglichen Informationen vernichtet oder gründlich verheimlicht haben. Falls das so gewesen ist, dann hat das idealistische und nicht zu Ende gedachte Handeln des Tagebuchautors die weitere Entwicklung für lange Zeit verhindert. Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß eine weitere Erforschung im Archiv Auskunft auch in dieser Richtung bringt.
    Außerdem taucht eine Reihe von Problemen auf, die mit den Andeutungen des Autors zusammenhängen: daß nämlich auch eine andere Art der Vermehrung als das Klonen möglich sein könnte. Ist diese Annahme wirklich so unwahrscheinlich?
    Jedenfalls vermute ich, daß die Veröffentlichung des Textes als eine Grundlage für weitere Forschungen dienen und zur Präzisierung der bislang recht unklaren Hypothesen führen wird. Der Hypothesen, die sich auf die Geschichte des Zusammenlebens von Eds und Menschen auf Setra und Geta bezogen, und die auch als Illustration der weiteren Evolutionsgeschichte dienen könnte.
     
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    Originaltitel: ›NEČEKANÁ PAMÁTKA‹ • Copyright © 2000 by Ivana Holzbachová • Originalveröffentlichung • Mit freundlicher Genehmigung der Autorin • Copyright © 2000 der deutschen Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München • Aus dem Tschechischen übersetzt von Karl v. Wetzky
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Rainer Erler • Deutschland
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EIN PLÄDOYER
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    »Hohes Gericht! Meine Damen und Herren Geschworenen!
    Ich danke Ihnen für die

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