Das Jahr der Maus
für sie aufbringen, als man gegenüber einem guten Mitarbeiter und Kameraden fühlt. Es ist nicht auszuschließen, daß ich das auch fühle, doch ich kenne mich nicht genügend aus, ich weiß nicht, was zu tun ist, und was nicht … Und vor allem habe ich eine grausige Angst vor einer physischen Berührung und auch vor dem, was danach folgen könnte und sollte … Für mich und für Eva. Hauptsächlich für sie. Nein, ich kann mir es nicht vorstellen – – –
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Wir hatten es versucht, mit Hilfe von irdischen Unterlagen und von Literatur … doch wir waren nicht genügend vorbereitet, augenscheinlich … Ich fühlte mich erniedrigt und beschmutzt; und ich weiß, Eva auch. Sie spricht mit mir nur unter Selbstverleugnung, und ich versuche, ihr aus dem Weg zu gehen. Lieber alles stehen und liegen lassen. Ich habe von solchen Experimenten die Schnauze voll.
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Eva versuchte mit den Anträgen auf Verwandlung dadurch fertig zu werden, daß sie den Kandidaten die Wahrheit sagte. Sie veranstaltete einen vierstündigen Vortrag, danach wurde sie fast gelyncht. Eva hatte mir vorher nichts gesagt, und Mor, ihr Assistent, rief mich erst, als alles schon zum Schlimmsten neigte. Den Abschluß hatte ich noch gesehen und konnte so rechtzeitig eingreifen.
Übrigens: Mor war der einzige, den sie überzeugen konnte. Doch gerade er hatte nie um Verwandlung nachgesucht.
Also kam ich beizeiten, um die fünfzehn zu beruhigen. Ja fünfzehn, denn während Evas Tätigkeit auf der Station haben sich schon fünfzehn Verwandlungsanwärter angesammelt. Beruhigen konnte ich sie nur mit dem Versprechen, daß Eva alle, die sie nicht überzeugen konnte, auf die Verwandlung vorbereitet.
Vor allem erklärte ich weiter, daß ich Eva glaube. Ich fragte einen nach dem anderen noch einmal: Nur ein einziger erbat sich Bedenkzeit.
Ich mußte Eva die vierzehn Verwandlungen als Befehl erteilen. Sie konnte eben nicht Menschen gegen deren Willen retten. Sie schrie mir ins Gesicht, daß sie sich wie ein Henker vorkomme, oder wie ein Mörder. Übrigens fühlte ich dasselbe. In diesem Zustand mußte ich sie einige Stunden bewachen, damit sie sich nicht etwas antat.
Während ich bei ihr saß, fiel mir ein, daß ich die Leute, die ich durch das Einschalten der zweiten Superautomatik eingespart hatte, für die Erkundung des Planeten einsetzen könnte. Wieso ist bisher niemandem eingefallen, aus der Basis hinauszugehen?
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Ich war auf eine unerwartete und verborgene Schwierigkeit gestoßen. Die Anwohner der Basis hatten Angst vor dem offenen Gelände. Eine Art von Agoraphobie. Lange hat es gedauert, bis ich ein Erkundungskommando zusammengestellt hatte. Deswegen mußte ich den ganzen Schichtplan durcheinanderbringen.
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Über eine Woche ließ ich bei den Programmen der abendlichen Entspannung Unterlagen von der Erde vorführen, und zwar aus den Eintragungen, die ich mit Eva zusammengesammelt hatte. Gleichzeitig schöpfte ich aus der Bibliothek neue geeignete Quellen und Nachweise. Doch die Auswahl war grausam schwer. Einen Haufen Dinge verstand ich selber nicht und konnte nicht erwarten, gar verlangen, daß sie dann die anderen begriffen.
Seit des Streits über die Verwandlungen sprach Eva gar nicht mit mir. Dabei brauchte ich sie viel mehr als früher. Nicht nur, daß sie mir mit der Aufklärungsaktion half – die ja ihre eigene Idee gewesen war –, sondern auch deswegen, weil ich mich an sie gewöhnt hatte. Ihre Augen fehlten mir, auch ihre ungewöhnlichen Gedanken, ihre Stimme, ebenso die Art, wie sie ging. Ich hatte mich einmal ertappt, daß ich mich plötzlich im Krankenhaus befand, obwohl ich dort nichts zu tun hatte. Doch Eva hatte für mich keine Zeit.
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Ich hatte Eva schriftlich um Hilfe gebeten. Sie saß mit mir vier Stunden über den Bildaufzeichnungen und sagte mir gar nichts über den Auftrag hinaus, den wir uns auferlegt hatten. Begriff sie denn nicht, daß man die in Generationen (obwohl: Kann man bei uns wirklich von Generationen sprechen?) angewöhnte Lebensart nicht auf einen Schlag ändern konnte? Auch dann nicht, wenn es sich um den Tod handelte?
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Or, der Leiter der Erkundungsgruppe, hat eine interessante Idee gehabt. Um wenigstens die nächste Umgebung der Basis zugänglich zu machen, könnte man ein Plastikgewölbe über diese bauen, das die Menschen vor der Umwelt schützte. Diese Kuppel würde ihnen auch ermöglichen, die Pflanzen in einer fast
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