Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Jahr der Maus

Das Jahr der Maus

Titel: Das Jahr der Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
Vom Netzwerk:
trocken und frisch, leicht nach Jasmin duftend. Die bequemen Sessel und der Mango-Cocktail sind ein Vorteil der Business-Klasse.
    Leda hat Ambers Absage erstaunlich locker genommen. Ihre Abschiedsworte klingen in Ambers Ohren nach: »Du kannst jederzeit wiederkommen, wenn du es dir anders überlegst. Du bist eine Bereicherung für jeden Clan.« Ledas Stimme klang traurig und klar.
    Amber loggt sich ins Netz ein. Es ist höchste Zeit, mit Sifu Licht in all die unklaren Angelegenheiten zu bringen. Das Begrüßungsritual geschieht via Stimmcheck, Sifu ist weder im Innenhof noch in der Bibliothek zu finden. Amber spricht einen kurzen Suchauftrag mit höchster Priorität. Sifus Abwesenheit beunruhigt sie. Zudem haben sich seine Räume verändert, die Bibliothek ist größer und heller; im Innenhof steht ein neuer Schrein mit einer hölzernen Guanyin-Statue. Die Replikation einer wertvollen Antiquität.
    »Hi«, hört sie eine leise Stimme. Amber dreht sich um, vor ihr steht Joni, die sie mit wachen Augen mustert. »Sifu go to bai yun« [13] , ihre Lippen artikulieren mit unbeholfenen Bewegungen die ungewohnten Laute. Joni scheint nur in Basics zu kommunizieren, irgend eine der alten Programmiersprachen, die heute außer den Cyberhistorikern kaum mehr jemand kennt.
    Sifu ist in der Weißen Wolke? Wozu? Amber versucht mehr Informationen aus Joni herauszubekommen. Das kleine Wesen beobachtet interessiert ihre Mundbewegungen.
    »Reload« [14] , ist die einzige Antwort, die das virtuelle Kind mehrmals wiederholt. Sie scheint Ambers Fragen nicht zu verstehen.
    Kurz bevor sich Amber entnervt verabschieden will, sieht sie Sifu durch ein hufeisenförmiges Mondtor kommen. Der Durchbruch in der Wand ist neu, beim letzten Besuch war er nicht da. Hinter Sifu folgt der weißgekleidete Abt. Beide Männer nicken ihr zu, lächeln mit einem Ausdruck von selbstloser Freude.
    »Sifu, was ist passiert?«
    »Amber, der ehrwürdige Tang Ti hat mich zu sich eingeladen. Wir hatten Geschäfte zu besprechen, die auch dich betreffen. Genauer gesagt deine Kontakte nach New Fenix.«
    »Ehrwürdiger Meister«, schaltet sich Tang ein, »darf ich die Lage erklären?«
    Sifu verbeugt sich vor dem Abt.
    »Die Lage unserer Crew im Marscamp ist derart bedenklich, daß wir sie innert Kürze evakuieren müssen.«
    »Ihre Crew?« Amber schnappt ungläubig nach Luft. »Das ist doch eine offizielle Mission der Astrobehörde unter der Leitung von NipponSpace.«
    »Vordergründig, ja. Huang hat mir das O.k. gegeben, Ihnen mehr darüber zu sagen. Der Clan des goldenen Drachen hat beschlossen, Agenten in das Terraformprojekt einzuschleusen, um auf dem Nachbarplaneten lebensfreundliche Bedingungen zu schaffen, damit die sogenannten Bios dorthin auswandern können, um sich der Diskriminierung auf der Erde zu entziehen. Han-Net, der größte Geldgeber des Projekts, hat Verdacht geschöpft und versucht nun, durch künstliche Nachschubprobleme die Crew auszuhungern. Dabei ist der Dine-Mann am meisten gefährdet, da er nicht über die Ressourcen der Bios verfügt. Ich sehe schwarz für ihn, wenn nicht sofort etwas geschieht.«
    »Nelson?«
    »Ja, Martinez. Er hat sich unserem Clan gegenüber als loyal gezeigt, ohne daß er offiziell über die Besonderheiten der Marscrew aufgeklärt wurde. Zum Glück haben wir vorgesorgt, wir werden versuchen, ihn zusammen mit unseren Leuten sofort auf die Mondbasis zu transferieren, wo wir bereits die Kontrolle über die Basis Luna 2 und Selene gewonnen haben.«
    Amber schüttelt ungläubig den Kopf. »Selene in den Händen der Bios?«
    Tang lacht: »Ja, salopp ausgedrückt. Sie wissen noch nicht lange von ihrer Herkunft, wie ich annehmen darf.« Er nähert sich ihr, als berührten seine Füße den Boden nicht, er schwebt auf sie zu, umarmt sie mit einer Herzlichkeit, die sie nicht für möglich hielt.
    »Schwester Hupo, ihr Mut hat uns sehr geholfen. Dank Ihrer Hilfe war es uns möglich, mit Martinez zu sprechen und ihn davon zu überzeugen, daß er uns vertrauen kann. Er hat sich bereit erklärt, mit dem goldenen Drachen zusammenzuarbeiten. Diesen Erfolg haben wir indirekt Ihnen zu verdanken.«
    Er hält ihr eine zusammengerollte Papyrusrolle entgegen, die Amber mit ruhiger Hand nimmt und entrollt. Ein mächtiger Drache mit gewundenem Körper und hocherhobenem Kopf ist mit Tusche darauf gezeichnet.
    »Hupo, das ist Ihr persönliches Signet.«
    »Danke«, sagt sie und verbeugt sich tief. Ihr wird bewußt, daß dies die offizielle

Weitere Kostenlose Bücher